Einsatz von Schneekanonen:Proteine für den Schnee

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Umweltschützer sehen den warmen Winter mit Sorge: Spezialzusätze ermöglichen die Produktion von Kunstschnee auch schon bei höheren Temperaturen. Noch sind diese Zusätze in Bayern verboten.

Kurz vor Weihnachten machte das Wetter den bayerischen Skigebieten wieder Hoffnung auf ein ordentliches Weihnachtsgeschäft. Zum einen hatte es teilweise kräftig geschneit - Augustin Kröll, der Chef der Oberstdorfer und Kleinwalsertaler Bergbahnen, sprach von "in Summe einem Meter Neuschnee". Zum anderen war die Temperatur so weit gesunken, dass die Schneekanonen angeworfen werden konnten.

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Von Aufatmen angesichts intensiver Beschneiung ist hingegen beim, beim Bund Naturschutz in Bayern (BN), nichts zu spüren. "Das ist doch keine dauerhafte Lösung, der späte Wintereinbruch zeigt doch, wie wackelig bei uns der Winter ist", sagt Christine Markgraf, die Leiterin der Fachabteilung München beim BN. Man müsse nur überlegen, was wäre, wenn der Wintereinbruch noch später gekommen wäre. "Dann wäre es vorbei gewesen mit dem Weihnachtsgeschäft", sagt sie und fordert alternative Konzepte für den Winterurlaub in den Alpen.

Bergbahnchef Kröll sieht das anders: "Die letzten 200 Jahre zeigen doch, dass es immer solche und solche Winter gibt, letztes Jahr noch sind wir im Schnee und der Kälte regelrecht ersoffen", sagt er. Die Beschneiung sei sinnvoll und notwendig.

Körpereinsatz im Neoprenanzug

Doch der Einsatz von Beschneiungsanlagen ist nicht nur ein Streitthema zwischen Bergbahnbetreibern und Naturschützern. Er ist auch eine technische Herausforderung. Vier Faktoren müssen zusammenspielen, um guten Kunstschnee zu produzieren, wie Ralf Speck von der Alpspitzbahn in Nesselwang erklärt: Außentemperatur, Wassertemperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit.

Während der Kunstschnee bei starkem Wind kurzerhand verweht würde, lässt sich bei der Wassertemperatur nachhelfen. So werden die Speicherbecken und -seen mit perforierten Schläuchen am Seegrund zuerst gekühlt und später, wenn es richtig kalt wird, eisfrei gehalten. Verstopfen die Leitungen im Speicherbecken, heißt es rein ins eiskalte Wasser und alles frei räumen. "Ich war letztes Jahr mal 20 Minuten am Stück drin", erinnert sich Alpspitzbahn-Chef Ralf Speck. "Das war trotz Neoprenanzug heftig."

Auch wenn die einzelnen Schneekanonen bei modernen Anlagen von einer zentralen EDV-Schaltzentrale aus gesteuert werden, bei Störungen müssen die Beschneier auch bei widrigsten Witterungsbedingungen oft raus an die Anlagen.

In Bayern sind Zusätze verboten

Auch bei der Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind die Beschneier dem Wetter ausgeliefert. Wenn letztere, wie häufig auf der Alpennordseite, bei hohen 80 Prozent liegt muss es schon minus vier Grad haben, um guten Schnee zu produzieren. Und anders als in einigen Nachbarländern, wie zum Beispiel der Schweiz, Frankreich oder in Nordeuropa, dürfen in Bayern keine Kristallisationszusätze verwendet werden. Diese Proteine aus der Hülle von Bakterien ermöglichen die Kunstschneeproduktion auch schon bei zwei Grad höheren Temperaturen.

Das bayerische Wasserrecht verbietet diese Zusätze, über die aber derzeit sowieso kaum ein Bergbahnchef reden will. Doch Markgraf vom BN ist skeptisch, dass das auch so bleibt. Sie fürchtet, dass nach dem diesjährigen späten Wintereinbruch genau dieses Thema wieder hochkochen könnte. Eine Beschneiung bei noch niedrigen Temperaturen könne in den Augen der Bergbahnverantwortlichen dann "die nächste Notlösung zur Rettung der Weihnachtssaison" werden.

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