Zweiter Weltkrieg:Holocaust-Überlebender trifft seinen Retter nach 69 Jahren wieder

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Freudiges Wiedersehen nach fast 70 Jahren: Leon Gersten (R) und Czelaw Polziec auf dem New Yorker Flughafen JFK. (Foto: Reuters)

Im von Nazi-Deutschland besetzten Polen versteckte eine polnische Familie eine jüdische Mutter und ihre Kinder. Nach dem Krieg brach der Kontakt ab. Nun kam es in New York zu einem denkwürdigen Wiedersehen eines Retters und eines Geretteten.

Nach fast 70 Jahren haben sich ein in die USA ausgewanderter Holocaust-Überlebender und sein polnischer Retter erstmals wiedergetroffen: Am New Yorker John-F.-Kennedy-Flughafen begrüßten sich der 79-jährige US-Bürger Leon Gersten und der 81-jährige Pole Czeslaw Polziec am Mittwoch herzlich mit einem Händedruck. Polziecs Eltern hatten die jüdische Familie Gersten von 1942 bis 1944 vor den Nazis versteckt. Seit sie als Kinder voneinander Abschied nahmen, sahen sie sich nicht wieder.

"Für mich und meine Kinder sind sie Helden", sagte Gersten bei dem Wiedersehen am Flughafen, zu dem er seine Kinder, Enkel und Urenkel mitgebracht hatte. Polziec sagte, er sei glücklich, nach 69 Jahren seinen "Freund" wiederzutreffen. Gersten kündigte an, mit seinem Besucher das jüdische Chanukka-Fest und den US-Feiertag Thanksgiving zu feiern.

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Gerstens Mutter Frieda war den Angaben zufolge aus dem Warschauer Ghetto entkommen, indem sie sich als Katholikin ausgab. Die fliegende Händlerin klopfte auf der Flucht vor den Nazis an die Türen ihrer Kunden. Die einzigen, die bereit waren, die Familie zu verstecken, waren Maria und Stanislaw Polziec im Dorf Frysztak. Obwohl das Paar arm war und fünf Kinder hatte, baute es für Leon Gersten, seine Mutter, seine Tante, seinen Onkel und seinen Cousin ein unterirdisches Versteck, über dem ein Getreidelager errichtet wurde. Gerstens Vater, seine drei Brüder, seine Schwester und seine Großeltern wurden von den Nazis ermordet.

Jede Woche brachten die Helfer der Familie Brot. Die Kinder der Familie Polziec sammelten im Wald Pilze, aus denen Suppe gekocht wurde. Niemand erfuhr etwas von dem Versteck mit den fünf Juden. Stanislaw Polziec blieb auch standhaft, als er von Nazis aufgesucht und geschlagen wurde. Den Kindern wurde eingeimpft, niemandem von den Gästen zu berichten.

Gersten sagte, in dem Unterschlupf habe es nichts zu tun gegeben. "Wir hatten weder Spiele, noch Bücher, nichts, um uns zu beschäftgen, außer den Spinnen beim Fliegenfangen zuzusehen." Die Familie habe sich die Zeit mit der Suche nach Kopfläusen vertrieben, gelegentlich habe sie ihren Gastgebern geholfen. "Wir lebten in der Hoffnung. Als Kind hatte ich dieses Gefühl von Unsterblichkeit. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass jemand auf mich schießen und mich töten könnte."

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Das Dorf Frysztak wurde 1944 von der Roten Armee befreit. Leon Gersten wanderte nach New York aus. 1998 traf er eine der Schwestern von Czeslaw Polziec wieder, die zum Arbeiten in die USA gekommen war. Der Kontakt zwischen den Familien brach ab, als Gerstens Mutter starb. Das Treffen zwischen den beiden Männern kam mithilfe der "Jewish Foundation for the Righteous" zustande, die europäischen Rettern verfolgter Juden hilft.

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