ZDF-Affäre:Kein Anschluss unter dieser Nummer

Der Pressesprecher der Christsozialen hat nicht nur einmal, sondern vier Mal versucht, Einfluss auf die Berichterstattung von ARD und ZDF zu nehmen. Nun ist Hans Michael Strepp sein Amt los - für das ZDF ist die Sache aber noch längst nicht erledigt.

Detlef Esslinger

Seehofer haelt Versuch der Einflussnahme bei ZDF fuer unwahrscheinlich

Horst Seehofer versucht erst gar nicht, die Situation mit Witzchen zu retten. Er sieht grau und getroffen aus.

(Foto: dapd)

Ein einziger Anruf kann also eine Karriere beenden, vorerst zumindest. Es war der Anruf beim diensthabenden Redakteur der ZDF-Sendung "Heute", der den CSU-Sprecher Hans Michael Strepp nun den Job gekostet hat. Ein Black-out am Sonntagmittag, ein verhängnisvoller Moment, in dem er nicht nachgedacht hat? So konnte die Sache bis Donnerstagmittag lesen, wer Strepp lediglich Dummheit statt Impertinenz vorwerfen wollte. Nun aber ist klar: Er hat nicht bloß einen Anruf, sondern vier Kontaktversuche unternommen, verteilt über den ganzen Sonntag.

Denn das ZDF hat weitere Details zum Vorgehen des Pressesprechers bekannt gegeben. Intendant Thomas Bellut und Chefredakteur Peter Frey traten in Mainz der offiziellen CSU-Darstellung entgegen, Strepp habe keinen Druck auf die Journalisten ausüben wollen. "Die Intention des Anrufs war eindeutig", sagte Bellut.

Dies ergebe sich erstens aus der Schilderung des Telefonats durch den diensthabenden "Heute"-Redakteur, und zweitens durch Kontaktversuch Nummer eins - eine SMS des CSU-Pressesprechers "vom frühen Sonntagmorgen" an den Chef des Münchner ZDF-Landesstudios in München, Ulrich Berls. Darin habe sich Strepp nach dem geplanten Umfang der "Berichterstattung Ude" erkundigt, also wo und wie der Sender über den Landesparteitag der bayerischen SPD am selben Tag berichten werde. Ob dies ungefähr "so wie bei den Nominierungen von Albig und Weil" erfolge? Das seien ja vergleichbare Fälle.

Kontaktversuch Nummer zwei

Damit spielte Strepp auf die Nominierungen der SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen an. In Schleswig-Holstein nominierte die damals oppositionelle SPD im Februar den Kieler Oberbürgermeister Torsten Albig als Spitzenkandidaten für die Wahl im vergangenen Mai; Albig ist mittlerweile Ministerpräsident. In Niedersachsen kürte die SPD vor einem Jahr den OB von Hannover, Stephan Weil. Die Landtagswahl ist kommenden Januar.

In beiden Fällen brachte das ZDF keinen Filmbericht von den Nominierungen; darauf wollte Strepp sich offenbar beziehen. Im ZDF werden für die damaligen Entscheidungen jedoch journalistische Gründe genannt. In Schleswig-Holstein erfolgte die Nominierung, nachdem Albig einen partei-internen Machtkampf gegen den SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner gewonnen hatte; der Sender hatte darüber berichtet. Der Niedersachse Weil wiederum wurde nicht auf einem Parteitag gekürt, sondern Ende November 2011 in einer Urwahl der Mitglieder - bei einem Ereignis, dem das fehlte, was Fernsehreporter nun mal brauchen und was in diesem Fall nur ein Parteitag liefert: ausführliche Bilder.

Diskussionen im Nachklapp

Nach Darstellung des ZDF hat Studioleiter Berls auf die SMS des CSU-Sprechers reagiert und diesen angerufen. Er sagte ihm, es sei eine Berichterstattung geplant, wofür aber die Zentrale in Mainz zuständig sei. Daraufhin unternahm Strepp Kontaktversuch Nummer zwei. Er schickte dem stellvertretenden ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen eine SMS.

Theveßen rief aber weder zurück, noch antwortete er. Worauf Strepp zu Kontaktversuch Nummer drei überging - und direkt den "Heute"-Redakteur anklingelte. Der fasste das Telefonat auf Bitten seiner Vorgesetzten so zusammen: "Er fragte, ob wir wüssten, dass weder die ARD noch Phoenix über den SPD-Landesparteitag berichten würden. Er sei informiert, dass wir einen Beitrag planten. Weit davon entfernt, in das Programm reinzureden, wolle er aber doch rechtzeitig zu bedenken geben, dass es im Nachklapp Diskussionen geben könnte, wenn das ZDF im Alleingang sende."

Ein Linker, ein Rechter

Diskussionen im Nachklapp. Man kann bei diesen Worten leicht eine Drohung heraushören. Was vielleicht erklärt, dass für den Sender der Fall mit dem Rückzug von Strepp nicht erledigt ist. Das ZDF muss sich seit Jahrzehnten der Einflussnahme durch die Parteien erwehren; nur dass die in den seltensten Fällen so plump daherkommt wie in diesem Fall. Die Parteien vergeben Posten über den Verwaltungs- und den Fernsehrat der Mainzer Anstalt oft nach dem Prinzip: ein Linker, ein Rechter.

Gilt zum Beispiel der Chefredakteur Peter Frey als SPD-nah, so muss sein Stellvertreter - Theveßen - als konservativ gelten (unabhängig davon, ob beide das tatsächlich sind). In vielen Landesstudios war es schon immer üblich, dass der jeweilige Leiter auch der jeweiligen Staatskanzlei genehm sein muss; darauf legten SPD- und unionsgeführte Landesregierungen gleichermaßen Wert.

Tiefe Spuren hat im Sender hinterlassen, wie vor drei Jahren der damalige hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch und Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) bewirkten, dass Chefredakteur Nikolaus Brender das Haus verlassen musste; er war ihnen zu unbotmäßig. Und sein Nachfolger Peter Frey war in den vergangenen Tagen hausintern der Kritik ausgesetzt: Viele ZDF-Journalisten fanden ihn zu defensiv im Umgang mit der Telefon-Affäre, sie fanden, er hätte den Vorfall von sich aus publik machen müssen - anstatt darauf zu vertrauen, dass er schon irgendwie publik werde.

Kontaktversuch Nummer vier

Am Donnerstag nun zeigte sich Frey willens, die Debatte weiterzuführen - und derlei Dinge grundsätzlich zu klären: "Wir werden den Vorgang im für die Chefredaktion zuständigen Ausschuss des Fernsehrats behandeln", sagte Frey. CSU-Chef Horst Seehofer gab sich daraufhin kooperativ: Eine "umfassende Aufklärung" der Affäre könne in dem Gremium geschehen, sagte Seehofer im bayerischen Landtag.

Unterdessen wurde bekannt, wie Strepp zu dem Hinweis kam, die ARD plane keine Berichterstattung zu dem SPD-Parteitag - durch seinen Kontaktversuch Nummer vier. Der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf, sagte der Nachrichtenagentur dapd, dass einer der drei vom BR gestellten Hauptstadtkorrespondenten eine SMS vom CSU-Sprecher erhalten hatte - mit der Frage, ob die ARD denn einen Bericht über den SPD-Parteitag plane? Die Antwort: Nein, "die ARD" mache nichts. Aber diese Auskunft habe sich nur auf das Hauptstadtstudio bezogen, sagte Deppendorf. Zuständig für die Berichterstattung aus den Ländern sei die jeweilige Rundfunkanstalt dort, in diesem Fall also der BR. Und der lieferte der ARD-Tagesschau am Abend ein Stück über den SPD-Parteitag. Was soll man sagen, angesichts von so viel Dummheit, Impertinenz, oder was auch immer es war. Deppendorf sagte nur: "Unüblich".

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