Die Weiße Rose:"Sophie Scholl war in Alexander Schmorell verknallt"

Lilo Fürst-Ramdohr Zeitzeugin Alexander Schmorell Weiße Rose NS- Widerstand

Zeitzeugin Lilo Fürst-Ramdohr als junge Frau

(Foto: Oliver Das Gupta)

Zeitzeugin Lilo Fürst-Ramdohr kannte die Widerstandskämpferin Sophie Scholl - sie waren in denselben Mann verliebt. Ein Gespräch mit einer besonderen Zeitzeugin.

Oliver Das Gupta, Percha

Lilo Fürst-Ramdohr, Jahrgang 1913, gehörte zum engeren Freundeskreis der "Weißen Rose". Sie war eingeweiht in Interna der studentischen Widerstandsgruppe gegen den NS-Staat, beteiligte sich allerdings nicht unmittelbar an den Aktionen.

Mit Alexander Schmorell, der später hingerichtet wurde, verband sie eine innige Freundschaft. Sie versteckte Flugblätter, stellte den Kontakt zwischen der "Weißen Rose" und dem Umfeld der kommunistischen Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" her und half Schmorell dabei, die Schablonen für die Wandparole "Nieder mit Hitler" anzufertigen. Sie unterstützte ihn auch bei seinem missglückten Fluchtversuch. Die Gestapo-Vernehmer nahmen Ramdohr ab, eine naive Nichtwisserin zu sein, auch Schmorell und die anderen verhafteten Widerstandskämpfer deckten sie.

Ihr in kleiner Auflage erschienenes Erinnerungsbuch "Freundschaften in der Weißen Rose" ist längst vergriffen, Fürst-Ramdohrs Enkel bereitet es derzeit wissenschaftlich auf und sucht noch einen Verlag.

Die heute 97-Jährige lernte auch Sophie Scholl kennen, die als "Weiße-Rose"-Mitglied ebenso wie ihr Bruder Hans, Schmorell und anderen hingerichtet wurden. Im Gespräch erinnert sich Lilo Fürst-Ramdohr an Sophie Scholl am 9. Mai 1921, zur Welt gekommen ist.

SZ: Frau Fürst-Ramdohr, ich möchte mit Ihnen über Sophie Scholl sprechen.

Lilo Fürst-Ramdohr: Ich muss gleich sagen, dass ich Sophie nicht so gut kannte wie ihren Bruder Hans.

Aber Sie sind einer der ganz wenigen noch lebenden Menschen, die erzählen können, wie Sophie Scholl war. Wie und wann haben Sie sie kennengelernt?

Das war bei einer Hochzeit, das war wohl Spätsommer 1941. Alex Schmorell und ich waren erst kurz befreundet. Er hatte mir bei einem Besuch im Tiergarten erzählt, dass er eingeladen ist und mich gefragt, ob ich mitkommen will. Bei der Feier in einem Münchner Biergarten waren die Mitglieder der Weißen Rose alle dabei - Christoph Probst, Willi Graf, Hans Scholl und eben auch Sophie. Sie hat zuerst mit ihrem Bruder getanzt.

Sie waren älter und lebenserfahrener als Sophie, Ihr erster Mann war kurz zuvor gefallen. Wie war Ihr Verhältnis zu der fast acht Jahre jüngeren Studentin?

Sie wollte mich näher kennenlernen, sagte Alex, aber ich hatte damals einfach zu viel zu tun, es war schließlich Krieg. Mit ihrem Bruder Hans hatte ich mehr zu tun als mit Sophie, vielleicht lag das auch am Altersunterschied. Ich habe mich damals eher an Gleichaltrige angeschlossen, Sophie war ja noch so jung. Einmal besuchte sie mich in München-Neuhausen, und wollte mit mir über das Malen sprechen. Aber der wahre Grund war wohl ein anderer: Sie war in Alex verknallt und wollte mehr über die Frau erfahren, mit der er so viel Zeit verbrachte.

War sie eifersüchtig auf Sie?

Ein bisschen. Aber sie war nicht unfreundlich zu mir. Ihre Verliebtheit lief ja auch eher im Verborgenen ab. Wissen Sie, Alex war ein schöner Mann mit einer tollen Ausstrahlung. Viele Frauen lagen ihm zu Füßen.

Waren Sie auch in Schmorell verliebt, Frau Ramdohr?

Am Anfang nicht, später war ich schon angetan. Aber hinterher habe ich vor allem den guten Freund vermisst, denn eines sage ich Ihnen: So einen Freund gibt es nicht wieder. Er war so zuverlässig und aufmerksam.

"Alex sagte: Jetzt haben sie Hans und Sophie weggebracht"

Lilo Fürst-Ramdohr Zeitzeugin Alexander Schmorell Weiße Rose NS- Widerstand

Wurde von der Gestapo freigelassen, weil man ihr abnahm, eine naive Hausfrau zu sein: Weiße-Rose-Helferin Lilo Fürst-Ramdohr

(Foto: Oliver Das Gupta)

War Schmorell auch an Sophie interessiert?

Ich glaube nicht. Eines Abends kam er zu mir mit einem Buch mit Titel Almaide ...

... von Francis Jammes, der Alternativtitel lautet: Roman der Leidenschaft eines jungen Mädchen ...

... ein naives Jugendbuch, erste Liebe und so was. Das Büchlein hatte Sophie ihm zuvor geschenkt. Am selben Tag noch drückte es Alex mir in die Hand. Er sagte: "Das hat mir Sophie geschenkt und ich schenke es dir weiter." Ich dachte zuerst, der Alex will mich wohl erziehen (lacht).

Besitzen Sie das Buch noch?

Ja. Vorne steht sogar noch Sophies Name drin.

Wie hat die junge Studentin Sophie Scholl auf Sie gewirkt?

Ich habe Sophie als kluge, musische und künstlerisch interessierte Frau erlebt. Sie war gewiss kein Durschnittsmensch, das hat auch Alex gesagt. Richtig fröhlich waren die alle nicht. Ich kann mich noch gut erinnern, wie schwermütig Hans Scholl, der mich mit Alex oft besucht hat, wirkte. Er saß auf dem Sofa und starrte an die Decke.

Vielleicht ahnten sie schon, was ihnen bevorstand: Am 18. Februar 1943 wurden die Geschwister Scholl dabei gesehen, wie sie Flugblätter der Weißen Rose in der Münchner Universität verteilten. Anschließend wurden sie festgenommen.

Sophie hatte wahnsinnige Angst um ihren Bruder Hans, das war eine unheimlich große Schwesterliebe. Deshalb ist sie auch mit ihm damals in die Uni gegangen, obwohl schon alle ein schlechtes Gefühl vorher hatten.

Können Sie das genauer beschreiben?

Sie ahnten, dass die Gestapo schon hinter ihnen her ist. Vor lauter Angst hat Sophie am Ende mit Hans in einem Bett geschlafen, hat Alex erzählt. Ursprünglich sollte Christoph Probst mit Hans die Flugblätter verteilen. Das wurde verworfen, weil Christophs Frau ein Kind erwartete, dass er geht, käme nicht in Frage, soll Sophie gesagt haben. Dann hieß es: Alex soll mit Hans gehen. Alex kam zu mir und wollte meinen Rat. Ich sagte Alex: "Das ist zu gefährlich. Du bist Halb-Russe, bring dich nicht so in Gefahr." Ich habe Alex vorgeschlagen, Schmiere zu stehen und so machten sie es auch.

Also sprang Sophie Scholl für Schmorell ein?

Ja. Sie ließ ihren Bruder nicht alleine. Sie ging mit Hans in die Uni mit einem Koffer voller Flugblätter, Alex stand davor.

Der Hausmeister hat die beiden Scholls gesehen und die Gestapo herbeigerufen.

Alex hatte das mitbekommen. Er ging danach erst mal zu seinem Vater und dann zu mir. Er kam die Treppe hoch, grau und unrasiert war sein Gesicht. Er sagte: "Jetzt haben sie Hans und Sophie weggebracht." Ich habe ihm noch geholfen, zu fliehen. Leider hat es nicht geklappt.

Nachtrag: Lilo Fürst-Ramdohr verstarb zwei Jahre nach dem Interview am 13. Mai 2013.

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