Wahlkampf in Griechenland:Niemand will mehr sparen

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Kurz vor der Wahl in Griechenland wagt es keine Partei mehr, die Sparzusagen an die internationalen Geldgeber zu verteidigen. Stattdessen hoffen Konservative wie Linke auf ein Entgegenkommen der EU und verweisen dabei auf die jüngsten Hilfen für Spanien.

Christiane Schlötzer

Immer noch werden Bankkonten geleert und Rechnungen bleiben unbezahlt, weshalb staatlichen Krankenhäusern die Medikamente und Bettlaken ausgehen: Fünf Tage vor der Parlamentswahl in Griechenland steigt die Nervosität mit den bereits hochsommerlichen Temperaturen.

Plakat der konservativen ND in Athen: Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet. (Foto: AFP)

Es gibt zwar keine neuen Umfragen, aber Demoskopen schätzen, dass die konservative Nea Dimokratia (ND) von Antonis Samaras und die Linkspartei Syriza von Alexis Tsipras derzeit in der Wählergunst etwa gleichauf liegen. Daraus folgt erstaunlicherweise, dass sich die Positionen der beiden Parteien längst nicht mehr so stark unterscheiden wie direkt nach der ersten Parlamentswahl am 6. Mai, als alle Bemühungen von Präsident Karolos Papulias, eine Einheitsregierung zu bilden, kläglich scheiterten.

So wagt es nun keine Partei in der Schlussphase des Wahlkampfs, den Kreditvertrag mit der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank offen zu verteidigen. Auch Antonis Samaras, der dieses "Memorandum" zusammen mit den Pasok-Sozialisten unterschrieben hatte, will inzwischen über die Kreditbedingungen für Griechenland "nachverhandeln". Dies wäre auch nötig, wenn die ND ihre Wahlversprechen erfüllen will: Senkung der gerade erst erhöhten Mehrwertsteuer, Erhöhung von Niedrigrenten, weniger Entlassungen im öffentlichen Dienst.

Syriza wird vorsichtiger

Tsipras hat dagegen mehrmals angekündigt, seine Partei werde das ganze Memorandum aufkündigen. Politiker aus der zweiten Reihe der Partei äußern sich inzwischen aber vorsichtiger. Die Abgeordnete Rena Dourou, der ein Faschist im Fernsehstudio ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet hatte, sagte, ihre Partei sei eine "verantwortliche Kraft, die keine einseitigen Schritte unternehmen wird". Sie wolle nicht, dass Griechenland aus der Euro-Zone falle.

Auch der als potenzieller Wirtschaftsminister in einer Syriza-Regierung gehandelte Giannis Dragasakis vertrat am Dienstag in der Internet-Zeitung in.gr diese Position. Dragasakis plädierte zudem für ein "Zins-Moratorium", bis sich die griechische Wirtschaft wieder erhole.

Neue Hoffnung schöpft Syriza nun aus der kräftigen EU-Kapitalspritze für die spanischen Banken von 100 Milliarden Euro. Syriza-Sprecher Panos Skourletis sagte, die Hilfe für Spanien sei ein Beweis dafür, dass ein harter Sparkurs Europa keinen Erfolg bringe. "Die Entwicklungen in Spanien geben uns recht, wenn wir sagen, das ist eine tiefe strukturelle Krise der Euro-Zone selbst." Damit würden sich auch für Griechenland "neue Perspektiven eröffnen".

Koalitionspartner gesucht

Sozialisten-Chef und Ex-Finanzminister Evangelos Venizelos, der mit der Troika verhandelt hatte, plädiert inzwischen für eine "Revision" des Finanz- und Sparpakts. Bei einem Treffen mit Italiens Premier Mario Monti in Rom fand Venizelos nach eigenen Worten Unterstützung für seinen neuen Kurs, "solange Griechenland einen vernünftigen Plan hat" und sich politisch einig zeige, dass es Reformen umsetzen wolle. Monti wiederum mahnte die Griechen, nach der Parlamentswahl diesmal rasch eine Regierung zu bilden, in jedem Fall vor dem nächsten EU-Gipfel Ende Juni.

Ob ND oder Syriza - wer auch immer am Ende die Nase vorn hat, wird einen Koalitionspartner brauchen, denn eine absolute Mehrheit scheint kaum möglich zu sein, auch wenn die erste Partei nach dem griechischen Wahlrecht einen Zuschlag von 50 Sitzen in dem 300-köpfigen Parlament erhält.

Als Partner bringen sich sowohl die Pasok als auch die kleinere, gemäßigte Linkspartei von Fotis Kouvellis (Dimar) in Stellung. Beide fordern nun, die Rückzahlungen der Kredite für Griechenland zu strecken, von 2014 auf 2017. Ein Teil der Pasok hat sich zuletzt auf Syriza zu bewegt. So kann die Pasok nur noch mit Platz drei rechnen.

"Wir müssen den Patienten vor dem Tod bewahren"

Auch die griechische Wirtschaft kritisiert inzwischen offener das Memorandum, das eigentlich die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhöhen sollte. Steuererhöhungen und drastische Einschnitte bei Gehältern und Pensionen haben aber die Rezession verschärft. Der Unternehmer Evangelos Mytilineos sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das Programm funktioniert nicht." Mytilineos, dessen Konzern der größte private Stromproduzent Griechenlands ist, kritisierte das Versagen der griechischen Politik, aber auch die Troika. "Wir müssen jetzt den Patienten vor dem Tod bewahren", sagte der Unternehmenschef und Ökonom.

Im Mai wurden nach einem Bericht der Zeitung Kathimerini erneut fünf bis sechs Milliarden Euro von griechischen Banken abgezogen - ein Zeichen, wie groß die Ängste der Griechen vor einem Zusammenbruch des Landes sind.

Angeblich wurde ein großer Teil davon in deutsche Anleihen investiert, aber auch in den Wohnungen versteckt. Die Nationalbank warnte vor einer Inflation von mehr als 30 Prozent, sollte Griechenland zur Drachme zurückkehren. Private Haushalte und Unternehmen könnten dann keinesfalls ihre Kredite begleichen.

© SZ vom 13.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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