Vor Merkels Treffen mit Präsident Erdogan:Türkei-Frage spaltet Union

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Neuer Streit über eine EU-Mitgliedschaft der Türkei: Während der Bundespräsident ergebnisoffene Gespräche fordert, lehnt die CSU eine volle Mitgliedschaft kategorisch ab.

Nico Fried, Berlin

Vor dem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist erneut die Debatte über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union aufgebrochen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, forderte am Freitag von der Bundesregierung ein klares Eintreten für die Aufnahme der Türkei. Ein entsprechendes "Signal" sollte von dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Erdogan an diesem Samstag in Berlin ausgehen, sagte Kolat. Er fügte hinzu: "Es ist im nationalen Interesse Deutschlands, einen EU-Beitritt der Türkei zu forcieren."

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf der Tribüne des Berliner Olympiastadions während des Fußball-EM-Qualifikationsspiels Deutschland-Türkei. (Foto: REUTERS)

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lehnte eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU dagegen rundweg ab. Dies sei auch "die klare Position von CDU und CSU". Herrmann fügte gegenüber der Nachrichtenagentur dapd hinzu: "Mit einer privilegierten Partnerschaft wäre beiden Seiten mehr gedient als mit dem unrealistischen Versprechen an die Türkei, irgendwann in die EU eintreten zu können."

Bundespräsident Christian Wulff hatte vor einigen Tagen "faire Verhandlungen" über einen möglichen EU-Beitritt der Türkei angemahnt. Die Gespräche müssten ergebnisoffen geführt werden.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), forderte von den EU-Staaten und von der Regierung in Ankara mehr Elan bei den Beitrittsverhandlungen. Polenz sagte der Frankfurter Rundschau: "Bundeskanzlerin Angela Merkel sollte Erdogan ermutigen, am Reformkurs festzuhalten."

Dem türkischen Premier riet er: "Erdogan sollte seine Landsleute hier in Deutschland öffentlich dazu ermuntern, Deutsch zu lernen und sich hier zu integrieren, das liegt im ureigenen Interesse der Türkei." Die öffentliche Meinung zum Thema EU-Beitritt werde in Deutschland "maßgeblich auch geprägt von der Integrationsbereitschaft der hier bei uns lebenden Türken", sagte der CDU-Politiker.

Polenz hat sich wiederholt für einen Beitritt der Türkei ausgesprochen, befindet sich damit aber innerhalb der Union in einer klaren Minderheitsposition. In der schwarz-gelben Regierung steht die FDP einem Beitritt der Türkei nicht ablehnend gegenüber. Kanzlerin Angela Merkel setzt sich bislang für eine privilegierte Partnerschaft der Türkei ein.

Merkel und Erdogan wollten am Freitagabend gemeinsam das Qualifikationsspiel zur Fußball-Europameisterschaft zwischen Deutschland und der Türkei in Berlin besuchen. Am Samstag sind politische Gespräche und eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach verlangte mehr Religionsfreiheit für Christen in der Türkei. Sie müssten die gleichen Rechte wie die Muslime in Deutschland haben, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses der Rheinischen Post.

© SZ vom 09.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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