Verteidigung:Die Nato ist in Not

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Es gehört sich nicht, wie die Trump-Regierung Europa unter Druck setzt. Doch eine Forderung ist berechtigt: Die Europäer müssen mehr für das Bündnis leisten, viel mehr als bisher.

Kommentar von Daniel Brössler

In seiner Forderung war der amerikanische Präsident unmissverständlich. Jeder müsse seinen Teil beitragen im westlichen Bündnis. Es gehe nicht an, sich nur auf die USA oder Großbritannien zu verlassen. Gebt mehr Geld, sollte das heißen, sonst gibt es Ärger. Diese Drohung liegt fast drei Jahre zurück. Sie stammt von Barack Obama.

Wenn die USA also heute auf einem drastischen Anstieg der Verteidigungsausgaben der Nato-Partner bestehen, steckt darin etwas, das man aus dem Washington des Donald Trump am wenigsten vermutet: Kontinuität. Neu ist, dass Verteidigungsminister James Mattis von den Partnern in Brüssel bis Jahresende konkrete Pläne zur Erhöhung der Militärbudgets verlangt und andernfalls eine Verringerung des eigenen Engagements androht. Es ist dies eine Art, die man sich in Europa gern verbitten würde. Das Problem ist nur: Man kann es nicht.

Um das Bündnis zu erhalten, muss Europa viel mehr leisten

Die Forderung stützt sich auf eine Zusage, die alle 28 Mitglieder der Nato 2014 bei einem Gipfeltreffen in Wales gemacht haben. Sie versprachen, sich darum zu bemühen, binnen eines Jahrzehntes eine Zielmarke der Nato zu erreichen, nämlich nicht weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Drückender noch als dieser Beschluss ist die Realität: Das Ungleichgewicht zwischen der riesigen US-Militärmacht und dem kleinen europäischen Beitrag belastet das Bündnis schon lange. In Zeiten von Trump wird es unerträglich.

Selbst wenn es Leuten wie Mattis gelingen sollte, Trump den Nutzen der Nato nachhaltig zu erläutern, bleibt das Vertrauen in die Verlässlichkeit der USA auf absehbare Zeit beschädigt. Trump würde man es vielleicht so erklären: Einmal verbranntes Geld ist weg. Man kann nur neues verdienen - und das kann dauern. Trumps Gerede von der "obsoleten" Nato und von Verteidigung nur gegen Bares wird lange nachwirken. Die Europäer wiederum wissen, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Nato nie werden umkehren lassen. Aber sie sollten spätestens jetzt verstanden haben, dass sie sehr viel stärker und eigenständiger werden müssen.

Verteidigungsministertreffen
:Beistand, bedingungslos

Auch wenn Ursula von der Leyen Verständnis für die Drohungen von US-Außenminister Mattis geäußert hat: Die Forderung nach mehr Geld für die Nato stößt bei Grünen und SPD auf Kritik. In Brüssel erinnert Generalsekretär Stoltenberg an die Prioritäten des Bündnisses.

Von Thomas Kirchner

Konflikte im Nahen Osten und Krieg in der Ukraine - bei Europas Nachbarn herrscht Chaos

Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen, sondern um reale Gefahren. Vor gerade einmal drei Jahren hat Russland mit der Annexion der Krim gewaltsam europäische Grenzen verschoben. Im Krieg in der Ostukraine wird immer noch gestorben. Und nicht an den Grenzen der USA herrschen Terror und Chaos, sondern bei Europas nächsten Nachbarn im Nahen Osten und in Afrika. Als Antwort darauf wird es nicht in erster Linie auf Nato-Staaten wie Island oder Luxemburg ankommen. Europa wird sich auch nicht allein auf die Militärmächte Großbritannien und Frankreich verlassen können. Die künftige Sicherheit in Europa hängt ganz wesentlich davon ab, ob Deutschland sehr viel mehr tut und andere mitzieht.

Mit wahnsinnig viel Geld - und hier wird es wieder schwierig für Trump - ist es dabei nicht getan. Die Bundeswehr wäre gar nicht in der Lage, die Milliarden eines bis 2024 fast verdoppelten Wehretats sinnvoll auszugeben. Ganz abgesehen davon, was eine derartige deutsche Aufrüstung für die Kräfteverhältnisse innerhalb Europas bedeuten würde. Die Zwei-Prozent-Marke hat überdies Schwächen, denn die Verteidigungsetats der einzelnen Nato-Länder sind schwer miteinander zu vergleichen. Die USA, aber auch Frankreich und Großbritannien, stellen bei Weitem nicht ihre ganze Militärmacht in den Dienst der Nato. Außerdem macht eine wachsende Wirtschaft die Zwei-Prozent-Marke zu einem beweglichen und daher schwer zu erreichenden Ziel.

Das alles war natürlich auch 2014 schon bekannt. In der Anspannung der Krim-Krise hat die Bundesregierung dem Zwei-Prozent-Ziel damals zugestimmt, ohne es wirklich ernst zu nehmen. Das rächt sich nun. Die jetzige US-Regierung ist nicht bereit, die Erklärung von Wales als unverbindliche Willensbekundung zu betrachten. Wie von Schulkindern hat Mattis - immerhin jener Mann, der in Europa als Stimme der Vernunft in der Trump-Truppe gefeiert wird - von den Verteidigungsministern die Erledigung der Hausaufgaben bis Jahresende verlangt. Trump braucht Siege, gerne auch über die Verbündeten.

Den Europäern bleibt nur, sich nicht wie Schulkinder behandeln zu lassen. Sie müssen klarmachen, dass Funktionieren und Fortbestand der Nato mindestens so sehr im Interesse der USA liegen wie in dem Europas. Sie dürfen auch erwarten, dass Trump sich bemüht, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Sie können geltend machen, dass die Militäretats schon gestiegen sind. Aber das alles wäre sinnlos, wenn sie das Ungleichgewicht in der Allianz nicht verringern. Die Nato schützt Europa. Aber die Europäer müssen auch die Nato schützen.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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