US-Vizepräsident bei Colbert:Joe Biden zweifelt

US-Vizepräsident bei Colbert: US-Vizepräsident ist Joe Biden (hier bei einem Auftritt in Boston) schon. Will er Präsident werden?

US-Vizepräsident ist Joe Biden (hier bei einem Auftritt in Boston) schon. Will er Präsident werden?

(Foto: AFP)

Im Gespräch mit Late-Night-Talker Stephen Colbert erzählt US-Vizepräsident Joe Biden, wie es ihm nach dem Tod seines Sohnes geht - und lässt weiter offen, ob er gegen Hillary Clinton antritt.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Joe Biden und Stephen Colbert sind zwei unterhaltsame Zeitgenossen, doch an diesem Abend führen die beiden ein nachdenkliches Gespräch. "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, bereit zu sein", gibt Biden in Colberts "Late Show" zu - angesprochen darauf, ob er für das Amt des US-Präsidenten kandidieren werde.

Den US-Vizepräsidenten und den TV-Moderator verbindet nicht nur ein großes Mundwerk, sondern auch die Erfahrung des brutalen Verlusts: Biden verlor 1972 Frau und Tochter bei einem Autounfall; im Mai dieses Jahres starb Sohn Beau im Alter von 46 Jahren an einem Hirntumor. Colberts Vater und zwei seiner Brüder kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, als der Comedian zehn Jahre alt war.

Und so bricht der Auftritt des Demokraten Biden in Colberts dritter Sendung mit der Konvention der Late Night: Statt Geplauder wird es ernsthaft, fast intim, Biden spricht über seinen Sohn, seinen Schmerz, seine Hoffnung, seinen Glauben. Seine Frau Jill hefte ihm immer Notizen an den Badspiegel, erzählt Katholik Biden dem Katholiken Colbert, darunter auch ein Zitat des Philosophen Søren Kierkegaard: "Der Glaube sieht am besten im Dunkeln."

"In dem Moment hat es mich durcheinandergewirbelt"

Die Entscheidung über eine Kandidatur sei für ihn sicherlich eine emotionale, sagt Colbert zu Biden. Doch es wäre auch emotional für viele Menschen, wenn er nicht antrete, sagt Colbert dem Politiker, wie er ohnehin deutlich Sympathie für dessen Kandidatur signalisiert.

Was hält Biden also zurück? Die Verletzlichkeit. Der Politiker erzählt, wie er vor kurzem auf einer Militärbasis eine Rede vor Soldaten hielt und einer von ihnen ihm zurief, mit seinem Sohn Beau im Irak gewesen zu sein. "In dem Moment hat es mich durcheinandergewirbelt ... ich sollte das nicht sagen ... und so etwas darf nicht passieren [als Präsidentschaftskandidat; Anm. d. Red.]."

Das Zögern des 72-Jährigen, in das Rennen einzusteigen, wirkt an diesem Abend wie ein langsam reifender Entschluss, nicht anzutreten. Und doch erzählt er auch davon, sich nach dem Tod seines Sohnes nicht gehenlassen, sondern aufstehen zu wollen. Das sei er seiner Familie schuldig, und ohnehin sei er nur einer von vielen Menschen, die Schicksalsschläge erlitten hätte und er erfahre viel Unterstützung.

Selbst die ungebremste Spontaneität gilt als Trumpf

In Bidens Partei wächst die Zahl seiner Unterstützer ebenfalls, wenn es um die Wahl 2016 geht. Hillary Clinton müht sich arg, als Kandidatin zu sich selbst zu finden, ihr linker Konkurrent Bernie Sanders hat in Umfragen aufgeholt.

Biden würde die Mitte der Partei verkörpern, kommt traditionell bei Wählern im Arbeitermilieu gut an und würde dem Wahlkampf der Demokraten die bislang fehlende Spannung geben. Selbst seine kaum zu bremsende Spontaneität, die schon für einige Ausrutscher verantwortlich war, wird als Symptom der Authentizität von "Onkel Joe" zur Trumpfkarte.

Als sein Mikrofon in Colberts Studio kurzzeitig ausfällt, hellt sich Bidens Miene schnell auf. "Das machen sie mit mir im Weißen Haus dauernd - sie stellen mir das Mikro ab", scherzt er. Und als in einer Werbepause Zuschauer lautstark seine Kandidatur fordern, entgegnet Biden Anwesenden zufolge trocken: "Passt auf, was ihr euch wünscht."

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