Wahlkampf in den USA:Die Erfindung des kaputten Amerika

Tea Party protest against Iran Nuclear deal

Donald Trump auf einer Veranstaltung der Tea-Party-Bewegung vor dem Kapitol: Er redet Amerika strategisch kaputt.

(Foto: dpa)

Viele Republikaner sind entsetzt über Donald Trump. Doch der macht nur nach, was die Partei seit Jahren tut: Er redet die USA schlecht.

Kommentar von Nicolas Richter, Washington

In Amerika endet der Sommer der Populisten. Es geht aber nur die Hitze - die Populisten bleiben. Hielten die Republikaner heute ihre Vorwahlen ab für das Weiße Haus, so bekäme der Schimpfwort-Generator Donald Trump ("Versager", "Vergewaltiger") dreimal so viele Stimmen wie der seriöse Jeb Bush, den Trump als Typen mit "niedriger Energie" verachtet.

Manche in dieser stolzen Partei, die sich Grand Old Party nennt, beklagen den Erfolg Trumps, als seien sie Opfer eines Eindringlings, der sich ungebeten an eine vornehme Tafel setzt und den feinen Herren ins Wort fällt. Aber das ist Selbstbetrug: Die Tafel der Republikaner ist längst nicht mehr vornehm, und Trump nur der nächste Liebling einer Feierrunde, die Krawall will.

Manche Ursachen liegen im System

Seit Amtsantritt des Demokraten Barack Obama reden die Republikaner das Land kaputt. Seit fast sieben Jahren erzählen sie, dass Obama den Arbeitsmarkt vernichte, eine Invasion illegaler Mexikaner orchestriere, dass der Präsident vor Russen, Chinesen, Kubanern kapituliere.

Wenn Trump behauptet, dass Amerika nur verliert, dann glauben es ihm etliche Landsleute nicht nur deshalb, weil sie Trump zurzeit alles glauben - sondern weil ihnen die politische Rechte seit mehr als einem halben Jahrzehnt nichts anderes einbläut. Das kaputte Amerika, über das alle nur lachen - und das Trump jetzt angeblich retten muss -, ist eine Erfindung der Republikanischen Partei.

Natürlich liegen manche Ursachen für Trumps Erfolg im System. Im Zwei-Parteien-Korsett der USA entlädt sich der Unmut wütender Bürger meist in einer Partei, nicht außerhalb. Traditionelle Institutionen verlieren generell an Autorität, was Quereinsteigern hilft. In den USA gibt es nicht einmal einen Parteichef, eher einen Generalsekretär: Im Fall der Republikaner ist dies Reince Priebus, der jüngst wie ein Subunternehmer in Trumps New Yorker Büro vorstellig wurde, statt Trump nach Washington einzubestellen. Und ja, auch anderswo haben Außenseiter Erfolg, in Großbritannien etwa der neue Labour-Liebling Jeremy Corbyn.

Trump glaubt nicht an Parteien

Aber vermutlich findet sich in der westlichen Welt keine andere Partei, die den Nihilismus so gezielt instrumentalisiert hat wie die Republikanische Partei in diesem Jahrzehnt. Als Obama 2009 seinen Amtseid ablegte, beschlossen die Republikaner im Kongress, ihm nicht einen Erfolg zu gönnen, also sämtliche seiner Initiativen kaputtzureden. Gleichzeitig päppelten etablierte Kräfte in der Partei die Tea Party, eine Bewegung zorniger Puristen, weil sie auf deren Energie hofften. Das heikle Thema Einwanderung hätte sich schon vor zwei Jahren entschärfen lassen, hätten die Republikaner über einen Gesetzentwurf abstimmen lassen, den beide Parteien ausgehandelt hatten. Wieder aber überließen die Gemäßigten den Nein-Sagern das letzte Wort.

Trump ist, das belegen seine Vita und seine Spenden, ein unpolitischer Geschäftsmann. Er glaubt nicht an Parteien, sondern an opportunities, an gute Gelegenheiten. Eine solche bietet ihm jetzt die Republikanische Partei: Trump kann von den Ressentiments zehren, die seine Partei-"Freunde" geschürt haben. Trump sagt: Mexiko schickt uns Kriminelle. Unerhört? Vor der jüngsten Parlamentswahl redeten Republikaner (mithilfe von Fox News) dem Volk ein, dass Drogenkartelle aus Mexiko mit IS-Terroristen paktieren. Trump sagt: In Washington sind alle unfähig. Etliche Republikaner schmähen "Washington" seit Jahren, auch jene Institutionen, denen sie selbst angehören. Trump nennt den Deal mit Iran das Werk von Amateuren. Das ist sogar noch milde im Vergleich zu Parteifreunden, die gleich einen Atomkrieg vorhersagen.

Trump streicht die Dividende ein

Ja, auch Teile der Demokratischen Partei hören gerade auf einen Populisten: Bernie Sanders liegt in einigen Umfragen vor Hillary Clinton, die sich endlich für ihre E-Mail-Affäre entschuldigt hat und sich gerade wieder einmal vornimmt, menschlich und nahbar zu wirken. Aber der Populist Sanders unterscheidet sich gewaltig vom Populisten Trump. Sanders mag utopische Lösungen anbieten, aber er beschreibt doch echte Probleme, etwa die Ungleichheit im Land.

Vieles, was Trump beklagt ("Wir gewinnen nicht mehr") ist dagegen eingebildet oder, im Fall der Einwanderer, maßlos aufgeblasen. Vor allem unterscheidet sich der Ton: Sanders polemisiert zwar gegen "Milliardäre", aber er beschimpft niemanden, hetzt nicht gegen die Schwächsten, droht nicht Millionen Menschen mit Ausweisung, wirft Politikern nicht vor, dass sie Versager sind.

Trump erlebt derweil den Traum aller Geschäftsleute: Die Republikaner haben jahrelang investiert, er streicht nun die Dividende ein. Die Partei hat den Boden bereitet für einen Aufstand von Amerikas Wutbürgern. Trump ist bloß derjenige, der sie am besten verkörpert.

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