Donald Trump:Die Kraft des Amtes könnte sogar Donald Trump zähmen

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Viel wird der künftige US-Präsident Donald Trump seinem Vorgänger Barack Obama (rechts im Bild) nicht nachmachen. Dabei wäre er gut beraten, ebenso würdevoll aufzutreten. (Foto: REUTERS)

Die Institution der Präsidentschaft ist in Amerika immer größer als die Person, die sie verkörpert. Es besteht Hoffnung, dass das auch Donald Trump versteht.

Kommentar von Stefan Kornelius

Frühmorgens am Tag nach der US-Wahl kam es zu einem Zwischenfall, der sich in seiner Bedeutung noch nicht wirklich erklären lässt: Donald Trump hielt eine Rede, die großherzig und warm war, Dankbarkeit ausdrückte und Demut. Es war dies vermutlich das erste Mal in der mehr als einjährigen Wahlkampfphase, dass dieser Mann nicht schimpfte, beschuldigte, unterstellte und polarisierte.

Es sind nicht die harmoniesüchtigen Deutschen, die sich eine versöhnende Geste des amerikanischen Präsidenten wünschen. Es sind die Amerikaner selbst, die nahezu übermenschliche Fähigkeiten in das Amt projizieren. Ein Präsident lebt auch von diesem Mythos - und kaum einer hat diese Rolle glaubwürdiger aufgeladen und von ihr profitiert als Barack Obama.

Obama hat dem Amt und damit seinem Land Klasse und Würde vermittelt

In all der Erregung um Trump und um einen hasserfüllten Wahlkampf gerät schnell in Vergessenheit, mit welcher souveränen Größe Obama das Präsidentenamt geführt hat. Man kann geteilter Meinung sein über die tatsächlichen politischen Verdienste dieses Mannes, über die Substanz einer Gesundheitsreform oder irgendwelche Linien in der Außenpolitik. Schwer zu widerlegen ist die Beobachtung, dass Obama dem Amt und damit seinem Land Klasse und Würde vermittelt hat. Obama war ein skandalfreier Präsident, er war ein Vorbild als Familien- und Landesvater.

Das ist keine schnulzig-süßliche Reminiszenz, sondern eine durchaus politisch relevante Beobachtung, weil es - von Richard Nixon über Bill Clinton bis George W. Bush - eben nicht selbstverständlich war, dass ein Charakterriese ins Weiße Haus einzieht. Am Tag nach der Trump-Wahl ist diese Feststellung umso mehr geboten, als nun ein Mann ins Präsidentenamt kommt, der von der Figur seiner Tochter schwärmt, die Größe seiner Genitalien diskutiert und Strafverfolgungsbehörden gegen seine Gegnerin in Marsch setzen möchte. Kann man also diesem Mann glauben, wenn er nun plötzlich an den Versöhnungswillen einer Nation appelliert, die er selbst in den größten Gesellschaftskonflikt seit Jahrzehnten gestürzt hat?

Hillary Clintons Concession Speech offenbarte Größe

Abgrund und Größe liegen wahrlich nah beieinander, wie auch Hillary Clinton zeigte. Sie hat in der Wahlnacht selbst nicht mehr gesprochen, aber am Morgen danach, wenige Stunden später, als sich die Emotionen wenigstens ein bisschen gelegt hatten. Ihre Rede verdichtete ihr politisches Leben in eine einzige große und demütige Geste: Lasst den Hass hinter euch, versammelt euch zum Wohl des Landes, steht auf und packt an.

Das ist sehr amerikanisch (und natürlich ist es auch klug und scharf kalkuliert). Aber gleichzeitig erfordern solche Worte nach dieser brutalen Auseinandersetzung viel Überwindung. Es ist mühsam, den Dreck der Kampagne abzuwischen und auf das eigentliche Ziel hinzuführen: die Aufladung des Präsidentenamtes mit Würde und Größe. Auch Clinton zeigte also einen bemerkenswerten Respekt vor der Institution der Präsidentschaft, die nach amerikanischer Lesart immer größer sein wird als die Person, die sie verkörpert.

Die Hoffnung, dass Trump durch die Macht der Institution gezähmt wird

Als Al Gore im Jahr 2000 der Sieg in Florida und damit die Präsidentschaft durch ein Urteil des Obersten Gerichts genommen wurde, beugte er sich der Institution. Obwohl jeder halbwegs wache Kopf die Ungerechtigkeit und die politische Motivation hinter der Mehrheitsentscheidung erkannte: Gore verlor kein Wort, weil er das Gericht nicht beschädigen wollte.

Im Fall des jetzt gewählten Präsidenten besteht also die Hoffnung, dass er durch die Macht der Institution gezähmt wird und die Kraft des Amtes für seine Ziele nutzt. Trumps Instinkt funktioniert ja. Der müsste ihm sagen: Du stehst nun über dem Land; du musst es nicht mehr spalten.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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