Unabhängigkeit Kataloniens:Tausende protestieren gegen Festnahme Puigdemonts

  • Nach der Festnahme Puigdemonts in Deutschland haben Tausende Katalanen vor der deutschen Botschaft in Barcelona protestiert.
  • Bei Zusammenstößen mit der Polizei sind mindestens 100 Menschen verletzt worden.
  • Puigdemont erwägt offenbar, in Deutschland Asyl zu beantragen. Das ist Experten zufolge aber wenig erfolgversprechend.
  • Am Montag entscheiden Richter in Schleswig-Holstein, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird.

Nach seiner Verhaftung in Deutschland droht dem katalanischen Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont die Auslieferung an Spanien. Die Festnahme ist die jüngste Wendung in dem Konflikt um Kataloniens Abspaltung von Spanien, der nach dem Referendum und der Ausrufung der Unabhängigkeit der Region im Oktober eskaliert war. Der Regionalpräsident wurde abgesetzt und floh ins belgische Exil, um seiner Festnahme in Spanien zu entgehen. Bei einer Rückkehr in die Heimat droht ihm die sofortige Inhaftierung.

Aus Protest gegen die Festnahme sind am Sonntagabend tausende Demonstranten in Barcelona auf die Straße gegangen. "Wir fordern Deutschland auf, Präsident Puigdemont nicht für Verbrechen (an Spanien) auszuliefern, die aus einem politischen Grund erfunden wurden", erklärte die einflussreiche Separatistenorganisation ANC, die zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Der katalanische Parlamentspräsident Roger Torrent kritisierte die spanische Regierung: Mit ihrem Vorgehen gegen politische Gegner greife sie das Herz der Demokratie an.

Die Demonstranten marschierten in Barcelona vom städtischen Büro der EU-Kommission zum deutschen Konsulat. Viele zeigten kleine Transparente mit der deutschen Aufschrift: "Befreit unseren Präsidenten. Seid nicht Mithelfer!" Andere trugen Unabhängigkeitsflaggen und Puigdemont-Masken als Zeichen der Unterstützung. Bei Zusammenstößen mit der Polizei, die Schlagstöcke einsetzte und Warnschüsse abgab, wurden nach Angaben der Rettungskräfte auf Twitter mindestens 100 Menschen verletzt, davon allein 92 in Barcelona. Der Polizei zufolge gab es drei Festnahmen. Einen weiteren Protest gab es in der Stadt Girona rund 100 Kilometer nordöstlich von Barcelona - dort war Puigdemont Bürgermeister gewesen, bevor er 2016 katalanischer Regierungschef geworden war.

Puigdemont erwägt Asylantrag in Deutschland

Puigdemont erwägt einem Bericht der Kieler Nachrichten zufolge, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. Dies berichtete die Zeitung am Sonntag unter Berufung auf Justizkreise. "Sollte er dies tun, wird der Asylantrag wie jeder andere vom Bundesamt für Migration geprüft werden", sagte ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums. Allerdings stünden die Chancen nicht gut: "Strafverfolgung beziehungsweise die Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls hat Vorrang vor einem Asylverfahren." Letztlich obliege die Entscheidung aber der Generalstaatsanwaltschaft und dem Bundesamt.

Amtsgericht Schleswig-Holstein entscheidet über Puigdemonts Zukunft

Am Montag wird Carles Puigdemont dem zuständigen Amtsgericht in Schleswig-Holstein vorgeführt. Zweck sei der Erlass einer gerichtlichen Festhalteanordnung, teilte Schleswig-Holsteins Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper am Sonntag mit. Die Vorführung diene allein der Überprüfung der Identität.

Ob Puigdemont in Auslieferungshaft kommt, entscheidet danach das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig. Puigdemonts belgischer Anwalt Paul Bekaert sagte zur belgischen Nachrichtenagentur Belga, dass er damit rechne, dass der ehemalige katalanische Regionalpräsident unter Auflagen freigelassen wird. Dem Vize-Generalstaatsanwalt Döpper zufolge prüft das OLG anhand von Unterlagen, die Spanien vorlegen muss und "aus denen sich der Grund für die Auslieferung ergeben muss, anschließend gegebenenfalls auch, ob eine Übergabe von Herrn Puigdemont an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist". Sollten keine rechtlichen Hindernisse einer Auslieferung im Wege stehen, wird darüber anschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig entscheiden.

Belgien, Finnland, Deutschland: Die Rolle der EU-Länder bei der Festnahme

Schon seit Monaten verlangt Spanien von europäischen Ländern, Puigdemont festzusetzen und auszuliefern; bislang ohne Erfolg. Der 55-Jährige hatte im Oktober einseitig die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen. Daraufhin leitete Spaniens Justiz Ermittlungen wegen Rebellion gegen Puigdemont und andere führende Separatisten ein. Puigdemont floh nach Belgien ins Exil - und Belgien weigerte sich, ihn nach Spanien auszuliefern, weil europäische Auslieferungsregeln zwingend nur für herkömmliche Straftaten gelten, nicht aber für politisch strittige Angelegenheiten wie Verrat oder "Rebellion".

Am Freitag reaktivierte das Oberste Gericht in Madrid dann den Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont. Puigdemont war an diesem Tag in Finnland, um an einer Konferenz teilzunehmen. Währenddessen stellte Spanien einen Antrag auf Festnahme des abgesetzten Regionalpräsidenten. Finnland erklärte sich bereit, Puigdemont zu verhaften. Allerdings war dieser nicht auffindbar. Puigdemonts Sprecher sagte, der Politiker sei auf dem Weg nach Belgien gewesen, um sich dort, wie schon bislang, für Belgiens Justiz zur Verfügung zu halten.

Den Kieler Nachrichten zufolge hatten die finnischen Sicherheitsbehörden das Bundeskriminalamt (BKA) über die Abreise Puigdemonts informiert. Das BKA habe dann den entscheidenden Hinweis an das Landeskriminalamt in Schleswig-Holstein gegeben. Nach Focus-Informationen hatte auch der spanische Geheimdienst Puigdemont die ganze Zeit im Visier und alarmierte das BKA über dessen Reisepläne.

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