Umstrittener Blockupy-Einsatz:Hessens CDU - verschanzt im ideologischen Schützengraben

Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main

Diskussionen nach Blockupy-Protesten in Frankfurt: Innenminister Rhein stützt die Polizei

(Foto: dpa)

Noch Tage nach dem umstrittenen Blockupy-Einsatz berichten Augenzeugen verstört von Szenen, die sie nicht vergessen können. Sie schildern polizeiliche Gewalt und Willkür. Wie gut täte es, wenn der hessische Innenminister Rhein endlich nachdenklich würde.

Ein Kommentar von Jens Schneider, Frankfurt

Es gibt Situationen, da ist die Wirklichkeit einfach stärker. Viel stärker als alle Floskeln und plumpen Schutzbehauptungen, mit denen die Regierenden in Hessen rechtfertigen wollen, was während der Blockupy-Demonstration in Frankfurt am vergangenen Samstag geschah. Die Diskrepanz ist einfach zu groß zwischen dem, was viele Bürger, auch absolut Unbeteiligte, erleben mussten - und dem, was Hessens CDU ihnen als Wahrheit über das Geschehene serviert.

Unzählige Bürger bezeugen, dass die Polizei gegen einen angeblichen schwarzen Block vorging, den es so überhaupt nicht gab. Dass Beamte Pfefferspray einsetzten, oft ohne jeden Anlass mit Gewalt gegen Demonstranten vorgingen. All das äußerst brutal, in einem Ausmaß, das laut Medienberichten sogar Frankfurter Polizisten entsetzt haben soll. Noch Tage danach berichten Augenzeugen verstört von Szenen, die sie nicht vergessen können.

Nach der Darstellung des christdemokratischen Innenministers Boris Rhein hingegen ist am Samstag alles bestens gelaufen, ganz wie es Recht und Ordnung verlangen. Die Polizei habe gute Arbeit gemacht, sagt der Minister. Die CDU-Landtagsfraktion kann sich gar nicht bremsen in ihrer Begeisterung, überschwänglich dankt sie der Polizei, weil sie Frankfurt an diesem Tag vor Schlimmeren bewahrt habe. Und wer dazu Fragen stellt, den stellt die Union flugs an die Seite angeblicher Gewalttäter.

Harte Linie statt Besonnenheit

Dabei will keiner der Kritiker Polizisten generell die Achtung für ihren äußerst schwierigen Job vorenthalten. Es geht schlicht darum, dass in Frankfurt ein Einsatz offenbar von Beginn an außer Kontrolle geriet - und dass diese traurige Eskalation vielleicht sogar geplant worden war.

Zunehmend erhärtet sich der Verdacht, dass die Polizei unter einem Vorwand eine Demonstration stoppte, die gerichtlich genehmigt war. Dass sie den Kessel, in dem 900 Menschen über Stunden festgehalten wurden, vorbereitet hatte. Und es bleibt der Eindruck, dass der Innenminister sich als Hardliner beweisen wollte, wo Klugheit nötig gewesen wäre.

Es ist politischer Schaden entstanden, der mit jedem Tag größer wird, an dem die christdemokratischen Innenpolitiker auch in der Aufarbeitung versagen, indem sie sich jeder Aufklärung verweigern. Wie gut täte es, wenn der CDU-Mann Rhein zumindest mal Fragen zuließe, nachdenklich würde.

Machtdemonstration aus billigem Kalkül

Dabei ist es erstaunlich, dass er all die Zeichen und Signale nicht wahrnimmt: Da sind die Stimmen der erschrockenen Bürger, die nahezu einhellige Berichterstattung in den Medien. Im Landtag schweigt die FDP, der Koalitionspartner der CDU, auffällig. Im Frankfurter Römer - dem Stadtparlament - spaltet Blockupy die schwarz-grünen Koalition, zum ersten Mal seit ihrem Bestehen. Aber die CDU verharrt im politischen Schützengraben, als wäre innenpolitisch der Kalte Krieg des letzten Jahrtausends nie zu Ende gegangen.

Vielleicht merken die Christdemokraten es gar nicht: Aber sie konterkarieren damit massiv die eigenen Bemühungen, vor der Landtagswahl am 22. September das eigene Profil weicher zu zeichnen, sich als eine moderne, liberalere, offenere CDU zu präsentieren. So wollte Volker Bouffier den Rückstand in den Umfragen aufholen und die Rot-Grün seit Monaten einen Wahlsieg prognostizieren.

Nun aber ist Hessens traditionell gnadenlos konservative CDU wieder ganz bei sich angelangt. Aus Überzeugung oder billigem Kalkül, vielleicht beidem, bedient sie das, was sie für das Empfinden ihrer Stammwähler hält. Nur kommt eben die Wirklichkeit mit aller Macht dazwischen, und um der Wirklichkeit willen wäre es - jenseits aller Wahltaktik - gut, wenn sie den Ernst der Lage endlich wahrnehmen würde.

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