Umstrittene Rede von EU-Kommissar:Oettinger, einfach unverbesserlich

Günther Oettinger

Mal belustigt er mit Ausführungen in rudimentärem Englisch, mal provoziert er auf Deutsch: EU-Kommissar Günther Oettinger.

(Foto: dpa)

Der kommende EU-Haushaltskommissar soll in einer Rede rassistische und homophobe Bemerkungen gemacht haben. Wohl, um sein Publikum zu belustigen. Der Mann hat sich nicht im Griff.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Günther Oettinger weiß sehr genau, auf welcher Seite er steht. "Vor Dummheit kann man die Menschen nicht bewahren", sagte der für Digitales zuständige Kommissar in der EU-Kommission. Zwei Jahre ist das her. Er meinte damit Menschen, die "so blöd" sind, "als Promi ein Nacktfoto von sich" ins Netz zu stellen. Wenn jemand so etwas tue, könne er nicht erwarten, "dass wir ihn schützen". Im konkreten Fall ging es allerdings um gehackte Nutzerdaten aus einer Cloud. Oettinger war das wurscht.

Er machte klar, dass er nun wahrlich nicht zu den Dummen auf dieser Welt gehört. Eine unbedeutende Rede im Stammtischformat, Mitte der Woche in Hamburg, lässt daran jedoch massiv zweifeln. Es ist der "EuropAbend" des AGA Unternehmensverbands. Ein Teilnehmer filmt Oettingers Rede, stellt sie ins Netz. Was Oettinger dort sagt, erheitert die Teilnehmer. So wie Donald Trump den TV-Moderator Billy Bush erheiterte, als Trump ihm erzählte, an welchen intimen Stellen er Frauen begrapschen könne, nur weil er ein Promi sei. Harmloser "Locker Room Talk" sei das, versuchte er sich später herauszureden. Umkleidekabinen-Gefasel.

Wer weiß, ob Oettinger ebenso dachte, als er in der Rede launig von Chinesen als "Schlitzaugen" gesprochen haben soll, die sich alle "schwarze Schuhcreme" in ihre Haare kämmten. Oder von der Gefahr einer "Pflicht-Homoehe" für alle. Oder als er über Alt-Kanzler Gerhard Schröder lästerte, der könne jetzt natürlich als Mittler im Kaiser's-Tengelmann-Streit auftreten. Er habe ja jetzt Zeit - "die Frau ist weg".

Ja, da hat er gut lachen, der Günther Oettinger. Ist ihm selbst schon passiert, als seine Ex-Frau Inken 2007 mit einem Porsche-Manager durchbrannte.

Sprache ist eines der schärfsten Schwerter. Gerade für Politiker

Fragt sich, was das alles soll? Geht launig und lustig nicht ohne rassistische Bemerkungen, ohne homophobe Anspielungen, ohne Beleidigungen? Muss sich Oettinger zum Dummschwätzer machen, um Schenkelklopfer zu provozieren?

Sprache ist eines der schärfsten Schwerter. Gerade für Politiker. Sie sollten in der Lage sein, ihre Worte abzuwägen. Es geht da auch um politische Korrektheit. Die ist nämlich kein Zeichen von Schwäche, sondern von intellektueller Stärke. Sie verlangt Reflexion über den Zustand einer Gesellschaft. Und den eigenen Platz in ihr.

Jeder Mensch ist anders und das ist gut so. Schon die Anerkennung dieser Binse hätte dazu führen müssen, dass Oettinger nichts von alledem über die Lippen gekommen wäre. Und trotzdem hätte er seine Zuhörer unterhalten und erheitern können.

Oettinger ist das nicht gegeben. Seine sprachlichen Ausrutscher sind legendär. Einen Freund nannte er einmal auf einer Feier mit Hunderten Gästen einen "Weltmeister im Seitensprung". Zu anderer Gelegenheit setzte er sich mit der angeblichen Reformunfähigkeit von Wohlstandsgesellschaften auseinander und bemerkte in dem Zusammenhang: "Wir sind in der unglaublich schönen Lage, nur von Freunden umgeben zu sein. Das Blöde ist, es kommt kein Krieg mehr."

Oettinger wird jetzt Haushaltskommissar der EU. Es ist eines der wichtigsten Ämter. Er bekommt es nicht wegen seiner Qualifikation. Sondern weil er protokollarisch an der Reihe ist. Seine Rede sollte Anlass sein, über dieses Prozedere noch einmal sehr genau nachzudenken.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: