Stimmung der US-Bürger:Zahlen, die Donald Trumps Erfolg erklären

Donald Trump

Kein Republikaner ist beliebter als er: Donald Trump bei einem Wahlauftritt in Alabama.

(Foto: AP)

Im US-Wahlkampf dominiert die Wut auf Washington. Einer neuen Studie zufolge vertrauen nur 19 Prozent ihrer Regierung. Der Frust vor allem bei älteren weißen Männern ist enorm.

Von Matthias Kolb, Washington

Im November ist es genauso wie im Oktober, im September, im August und im Juli: Donald Trump führt die Umfragen der republikanischen Präsidentschaftsbewerber an. Der umstrittene Milliardär kommt in der aktuellen Erhebung von ABC News auf 32 Prozent - und lässt die zwölf anderen Bewerber weit hinter sich.

Wohl gemerkt: Diese Umfrage wurde nach den Terror-Anschlägen in Paris gemacht. Trumps Vorschläge (Moscheen schließen, eigene Datenbank für Muslime) kommen offenbar gut an. Bisher spricht nichts dafür, dass die Debatte über nationale Sicherheit und den Kampf gegen Daesh (diesen Namen mag der IS nicht) dazu führt, dass "erwachsenere" Kandidaten wie Jeb Bush populärer werden. Auf Platz zwei bleibt der Ex-Gehirnchirurg Ben Carson, dem die Welt gerade dabei zuguckt, wie er sein geringes Außenpolitik-Wissen in Interviews wiedergibt.

Doch im "Herbst der Außenseiter" zählt politische Erfahrung wenig - Trump und Carson werden bewundert, weil sie Erfolg als Geschäftsmann bzw. Mediziner hatten. Als wichtigste Eigenschaft des künftigen Präsidenten geben bei ABC News 52 Prozent der Republikaner an, dass dieser "Washington verändern" müsse. Das Ausmaß des Misstrauens gegenüber der Polit-Elite offenbart nun eine Studie des Pew Research Center. Die erstaunlichste Zahl: Nur 19 Prozent vertrauen der Regierung "immer oder die meiste Zeit" (26 Prozent bei Demokraten und elf Prozent unter Republikanern).

Pew befragte zwischen Ende August und Anfang Oktober 6000 Bürger in allen 50 Bundesstaaten. Nur jeder fünfte US-Bürger ist der Meinung, dass die staatlichen Programme gut organisiert werden. Zugleich wünschen sich viele Amerikaner, dass sich die Regierung um viele Dinge kümmern soll: das Land verteidigen und vor Umweltkatastrophen und Terroristen schützen, die Infrastruktur aufrechterhalten oder die Einwanderung organisieren.

Die Pew-Studie enthält noch andere Ergebnisse, die zumindest ahnen lassen, wieso Donald Trump so beliebt ist - und wieso immer mehr Experten schreiben, dass es mittlerweile nicht unwahrscheinlich ist, dass der exzentrische Milliardär zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt wird.

  • Weiße ältere Männer sind am wütendsten: 32 Prozent der Republikaner beschreiben ihr Verhältnis gegenüber der Regierung mit dem Wort "Wut". Laut Pew lag der Wert im Herbst 2013 mit 38 Prozent sogar noch höher. Die Daten zeigen aber auch, wo der Frust am ausgeprägtesten ist: Unter Männern, unter Weißen und bei Ultrakonservativen. Trump ist mit seiner "Ich sage, wie es ist"-Haltung bei vielen beliebt, doch gerade ältere Männer unterstützen ihn enthusiastisch - diese Gruppe verachtet Barack Obama besonders. Und genau diese Klientel beteiligt sich an den Vorwahlen der Parteien und drängt die Republikaner nach rechts.
  • Republikaner haben das Gefühl, dass sie unterlegen sind: 79 Prozent der Befragten, die sich als Republikaner bezeichnen, sind der Meinung, dass "ihre Seite" im politischen Wettstreit verlieren wird. Bei den Demokraten sind das nur 52 Prozent. Dass die Konservativen so sauer sind, könnte an ihrem "Absolutismus" liegen: Eine deutliche Mehrheit lehnt Kompromisse ab und fordert Standfestigkeit von den Politikern. Dies ist nicht leicht, wenn ein Demokrat im Weißen Haus sitzt - insofern wird der Frust größer.
  • Normale Bürger sind fähiger als gewählte Vertreter: Unter den von Pew befragten Bürgern sind 55 Prozent davon überzeugt, dass ordinary Americans besser geeignet wären als die Abgeordneten, um die Probleme der USA zu lösen. Allerdings steht eine andere Zahl im völligen Widerspruch: 63 Prozent sagen, dass sie "der Weisheit des amerikanischen Volkes" bei politischen Entscheidungen wenig bis gar nicht vertrauen würden.
  • Amerikas Demokratie gilt als käuflich: 76 Prozent der von Pew befragten Amerikaner denken, dass Geld einen größeren Einfluss in der Politik habe als früher. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Republikanern und Demokraten: Beide glauben, dass die kaum vorstellbaren Kosten einer Präsidentschaftskandidatur "gute Bewerber abschreckt". Da ist sicher was dran: Obama und Romney gaben 2012 jeweils mehr als eine Milliarde Dollar aus. Experten erwarten, dass Hillary Clinton als Kandidatin der Demokraten zwei Milliarden an Spenden einsammeln könnte. Dass der Milliardär Trump seinen Wahlkampf selbst finanziert, beeindruckt viele: So sei er nicht auf Unterstützung von Lobbyisten angewiesen.
  • Enormes Misstrauen gegenüber den Medien: Die Mehrheit ist überzeugt, dass die Berichterstattung der landesweiten Medien einen schlechten Einfluss auf die Entwicklung der USA hat. Noch extremer wird es wieder bei den Republikanern: 82 Prozent denken, dass die "Mainstream-Medien" (über die neben Trump alle konservativen Präsidentschaftsbewerber ständig schimpfen) dem Land schaden. Das bedeutet: Zur Versachlichung der öffentlichen Diskussionen - in der Frage über die Ansiedlung von Flüchtlingen aus Syrien überschlagen sich die Emotionen - können TV-Sender wie CNN, ABC, CBS oder auch die New York Times kaum beitragen.

Die mehr als 140 Seiten umfassende Pew-Studie (hier als PDF) bietet Unmengen an Daten und Informationen über die Meinungen und Überzeugungen der US-Gesellschaft. Eines wird jedoch klar: Die Amerikaner sind unzufrieden mit ihren Politikern, vor allem die Konservativen sind verunsichert und verärgert. Es ist diese Stimmung, in der ein Kandidat wie Donald Trump, der sich um Fakten, Höflichkeit und Konventionen wenig kümmert, Hunderttausende begeistern kann.

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