Steinmeier:"Ich habe zivile Opfer nie ausgeschlossen"

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Der frühere Außenminister verteidigt sich: Sein Ministerium habe keine exklusiven Informationen gehabt - und er habe sofort eine Aufklärung des Luftangriffs gefordert.

Der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bestritten, dass das Auswärtige Amt eigene Erkenntnisse zum verheerenden Luftschlag in Afghanistan hatte. Sein Ministerium habe "über keinerlei exklusive Informationen" verfügt, sagte Steinmeier der Frankfurter Rundschau. Allerdings widersprach der SPD-Fraktionschef den Berichten nicht, laut denen ein Vertreter des Auswärtigen Amtes in Kundus frühzeitig von zivilen Opfern des Bombardements erfahren hat.

Frank-Walter Steinmeier verteidigt sich: Als Außenminister habe er nie ausgeschlossen, dass der Luftangriff bei Kundus auch zivile Todesopfer gefordert habe. (Foto: Foto: AP)

Steinmeier betonte allerdings zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen zu haben, dass es auch zivile Opfer gab. Es habe "vom ersten Tag an" widersprüchliche Meldungen "über die Zahl der getöteten Taliban-Kämpfer und zivile Opfer" gegeben. Deshalb habe er damals sofort eine gründliche Untersuchung des Vorfalls gefordert.

Steinmeier hatte sich in den ersten Tagen nach dem Bombardement ausdrücklich von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) distanziert, indem er dessen Feststellung nicht unterstützen wollte, unter den Opfern seien ausschließlich Taliban. Am 8. September, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag in ihrer Regierungserklärung sagte "Über zivile Opfer gibt es widersprüchliche Meldungen", sprach Steinmeier von einem "bedauerlichen Zwischenfall", bei dem man die Zahl der zivilen Opfer noch nicht kenne.

ARD und Stern hatten zuvor übereinstimmend berichtet, dass das Auswärtige Amt schon am Tag nach dem Angriff konkrete Hinweise darauf hatte, dass die von dem deutschen Oberst Georg Klein angeforderte Luftschlag zivile Opfer gefordert hatte. "Die Informationen, die wir hatten, waren auch der Bundeswehr bekannt und gingen in deren Gesamtbewertung ein", sagte Steinmeier.

Nach Stern-Informationen nahm der Diplomat Burkhard Ducoffre als Vertreter des Auswärtigen Amtes in Kundus und als ziviler Leiter des Wiederaufbauteams der Bundeswehr am 4. und 5. September an Gesprächen teil, bei denen Soldaten, Militärpolizisten und Vertreter afghanischer Behörden über tote Zivilisten referierten.

Wie das Magazin unter Berufung auf vertrauliche Protokolle berichtet, meldete ein belgischer Stabsfeldwebel, der am Mittag des 4. September mit einem Nato-Team in einer Ortschaft nahe des Bombardements die Bevölkerung befragt hatte, es seien "14 Zivilpersonen getötet und vier Zivilpersonen verwundet worden".

Der Belgier kündigte eine Namensliste "zur Prüfung von Entschädigungszahlungen" an. Ein deutscher Hauptfeldwebel bestätigte diese Meldung, sprach aber von "sieben verwundeten Zivilisten". Der Diplomat Ducoffre war auch dabei, als am folgenden Tag ein Bezirksbürgermeister von zehn toten Zivilisten in einem Dorf sprach.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder (CDU), sah Steinmeier deshalb in Erklärungsnot. Die SPD habe sich in den vergangenen Tagen auf Verteidigungsminister Guttenberg "eingeschossen", klagte Mißfelder in der ARD.

© sueddeutsche.de/dpa/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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