Steinmeier auf dem SPD-Parteitag:"Mehrheit in Deutschland wird in die Röhre gucken"

Lesezeit: 3 min

Attacke gegen die Bundesregierung: In seiner Rede auf dem SPD-Parteitag geißelt Fraktionschef Steinmeier die "Klientelpolitik" von Schwarz-Gelb. Geschenke für Gutverdienende würden auf Pump finanziert.

Am ersten Tag des SPD-Parteitages in Dresden hatte der neue Vorsitzende Sigmar Gabriel die Delegierten noch mit einer grandiosen Ansprache begeistert. Die zentrale Rede am Samstag hielt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Es gelang ihm aber nicht, die Zuhörer mitzureißen.

Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier wettert gegen Schwarz-Gelb: "Die Mehrheit in Deutschland wird in die Röhre gucken." (Foto: Foto: AP)

Der Fraktionsvorsitzende griff vor allem die Bundesregierung an. Zu den unter seiner Mitwirkung verabschiedeten Sozialreformen sagte Steinmeier nichts, obwohl der Parteitag auch über die Bilanz der SPD-Regierungspolitik beraten wird.

Der neuen Koalition von Union und FDP warf Steinmeier vor, Klientelpolitik zu betreiben. Die Bundesregierung verteile mit ihrem Wachstumsbeschleunigungsgesetz Geschenke für Gutverdienende, die auf Pump finanziert würden.

"Die Mehrheit in Deutschland wird in die Röhre gucken", sagte Steinmeier. Schwarz-Gelb öffne die Schere zwischen Arm und Reich weiter.

Steinmeier, der bei der Bundestagswahl am 27. September als Kanzlerkandidat scheiterte und mit 23 Prozent das schlechteste Ergebnis für die SPD in der Nachkriegszeit einfuhr, rief seine Partei auf: "Wir dürfen den anderen, den Schwarz-Gelben, jetzt keine Ruhe lassen." Vor der SPD liege in der Opposition eine "schwere Zeit".

Doch "Deutschland braucht eine starke SPD. Deutschland braucht eine starke Opposition". Nach dem Vertrauensbeweis der Partei bei der Wahl von Sigmar Gabriel zum neuen Vorsitzenden am Vorabend sei er wieder "sehr, sehr viel zuversichtlicher" als vor Beginn dieses Parteitages.

Die rund 500 Delegierten wollen noch an diesem Samstag Korrekturen an der Sozialgesetzgebung während der elf Regierungsjahre der SPD beschließen. Am Nachmittag wird über den Leitantrag der SPD-Spitze beraten. Darin wird eine gemischte Bilanz der elfjährigen Regierungsbeteiligung gezogen. Steinmeier war an den umstrittenen Reformen der Agenda 2010 wesentlich beteiligt.

Das Papier der Parteiführung enthält eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der SPD-Politik der vergangenen Jahre und ein Plädoyer für ein besseres Miteinander in der Partei. Der Parteitag debattiert auch über eine Reihe von Anträgen, in denen unter anderem die Abschaffung der Rente mit 67 gefordert wird.

Neue SPD-Spitze
:Gabriels Granden

Nach der dramatischen Wahlniederlage stellt sich die SPD neu auf: Welche Sozialdemokraten neben dem Parteichef Sigmar Gabriel künftig das Sagen haben - und welchen Flügeln sie angehören.

Die SPD komplettierte ihren erweiterten Bundesvorstand. Im ersten Wahlgang erzielte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen mit 423 von 475 gültigen Stimmen das mit Abstand beste Ergebnis.

Von den 37 Beisitzerplätzen im erweiterten Parteivorstand konnten 30 auf Anhieb besetzt werden. Zuvor hatten überraschend der vormalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und die frühere Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner ihre neuerliche Kandidatur zurückgezogen.

Unter den im ersten Wahlgang gewählten Vorstandsmitgliedern sind unter anderen die Parteilinken Niels Annen, Björn Böhning und Ottmar Schreiner, die Landesvorsitzenden Heiko Maas aus dem Saarland, Thorsten Schäfer-Gümbel aus Hessen, Christoph Matschie aus Thüringen, Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein, Florian Pronold aus Bayern und Garrelt Duin aus Niedersachsen sowie die scheidende baden-württembergische SPD-Chefin Ute Vogt.

Im zweiten Wahlgang schnitt nach einer entsprechenden Empfehlung Gabriels der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Thyssen/Krupp, Thomas Schlenz, mit 458 Stimmen am besten ab. Die Gewerkschafterin Engelen-Kefer scheiterte mit nur 133 Stimmen.

Nicht mehr angetreten sind unter anderem die ehemalige hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti, der Umweltpolitiker Hermann Scheer, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sowie die bisherigen Bundesministerinnen Ulla Schmidt (Gesundheit), Heidemarie Wieczorek-Zeul (Entwicklung) und Brigitte Zypries (Justiz).

Auch der bisherige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Fraktionschef Steinmeier stellten sich nicht mehr zur Wahl. Auf eine Kandidatur verzichtete auch die Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, die aber ebenso wie Steinmeier kraft Amtes ohnehin an den Sitzungen des SPD-Vorstands teilnimmt.

Bereits am Freitagabend hatten die gut 500 Delegierten die engere Parteiführung komplett ausgewechselt. Zum neuen SPD-Vorsitzenden wählten sie mit einem überraschend guten Ergebnis von 94,2 Prozent den ehemaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

Dagegen erhielt die Parteilinke Andrea Nahles bei der Wahl zur Generalsekretärin als Nachfolgerin von Hubertus Heil nur vergleichsweise magere 69,6 Prozent. Auch alle vier stellvertretenden SPD-Vorsitzenden wurden in Dresden neu ins Amt gewählt.

Der bisherige Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft und die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, erhielten alle gute Ergebnisse zwischen 85 und 90 Prozent.

Als Schatzmeisterin wurde Barbara Hendricks im Amt bestätigt. Martin Schulz wurde zum Verantwortlichen für die Europäische Union gekürt - eine Position, die neu im SPD-Präsidium geschaffen wurde.

© dpa/AP/AFP/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: