Staatsbesuch:Steinmeier bringt klare Botschaft nach Israel

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  • Bundespräsident Steinmeier absolviert seinen Antrittsbesuch in Israel und den Palästinensergebieten.
  • Auf Regierungsebene hat die Freundschaft zwischen Deutschland und Israel zuletzt gelitten - vor allem nach dem Eklat um Außenminister Gabriel.
  • Steinmeier lässt sich davon nicht beirren - und schon gar nicht will er sich den Mund verbieten lassen. Am Montag will er kritische Autoren treffen.

Von Constanze von Bullion, Jerusalem

Eine schwierige Reise, hieß es, bevor es losging. Vertrackte Lage, Ärger, schlechte Stimmung. Aber dann kommt es erst einmal ganz anders. "Welch ein fulminanter Auftakt", wird der Bundespräsident am ersten Tag seiner Reise sagen, noch ganz beseelt von einem wilden Abend im Souk. "Ich habe einige Streitfragen mitgebracht", sagt er auch - und dass Demokratie mit Sprechverboten doch irgendwie schlecht vereinbar sei.

Der Bundespräsident absolviert seinen Antrittsbesuch in Israel und den Palästinensergebieten. Bis Dienstag ist Frank-Walter Steinmeier mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender zwischen Jerusalem, Tel Aviv und Ramallah unterwegs. Mission impossib le, hatte mancher der Reise prophezeit. Denn der Deutsche ist zu einer denkbar unharmonischen Zeit im Heiligen Land.

Da stört erstens die Entscheidung der israelischen Regierung, die völkerrechtswidrige Landnahme in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland voranzutreiben. Zweitens hat die Bundeskanzlerin die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen auf Eis gelegt. Und drittens ist Außenminister Sigmar Gabriel bei Israels Premier Benjamin Netanjahu in Ungnade gefallen, weil er die regierungskritischen Menschenrechtsgruppen Breaking the Silence und B'Tselem traf. Es kam zum Eklat, Netanjahu sagte sein Treffen mit Gabriel ab.

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In Israels Zivilgesellschaft zollen Kritiker und Intellektuelle Gabriel Respekt

Auf Regierungsebene hat die Freundschaft zwischen den Ländern bessere Tage gesehen. In Israels Zivilgesellschaft aber zollen kritische Geister und Intellektuelle Gabriel Respekt. Sie schätzen deutsche Staatsgäste, die sich der Verantwortung für Krieg und Holocaust zwar uneingeschränkt stellen, Israels Regierenden aber deshalb nicht gebückt begegnen mögen.

Durch dieses Spannungsfeld kreuzt Steinmeier. Breaking the Silence und B'Tselem trifft er nicht, er will der deutsch-israelischen Freundschaft keinen Bärendienst erweisen. Stattdessen versucht er, gekappte Kontakte zu löten, sich nützlich zu machen im Generationenwerk deutsch-israelischer Versöhnung. Nicht die NGOs wird er am Montag treffen, aber deren Fürsprecher, die Schriftsteller David Grossman und Amos Oz zum Beispiel. Auch ein Treffen mit Netahjahu steht an. Und stets ist Steinmeier anzumerken: Dieser Ausflug ist ganz nach seinem Geschmack.

Bevor es strapaziös wird, tauchen die deutschen Gäste jedoch am Samstagabend in den Mahane Yehuda Markt ein. Es ist finster, irgendwo wummert Rapmusik, dann öffnet sich eine Tür: Plötzlich stehen Steinmeier und Büdenbender mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin in einem Basar. Hunderte junger Leute trinken an Holztischen Bier, als sie die weißhaarigen Herrschaften sehen, johlen und klatschen sie. Unklar, wem das Johlen gilt, aber egal. Hier wird gefeiert, dicht an dicht. Sicherheitsbedenken? Ein andermal. Gäste und Gastgeber strahlen. Willkommen in Israel, dem etwas anderen Land.

So munter taktet eine Reise auf, die bald ernstere Töne begleiten werden. Am Sonntagmorgen legen Steinmeier und seine Frau Steine auf die Gräber der Friedensnobelpreisträger Jitzchak Rabin und Schimon Peres. Ein Kranz für Jassir Arafat soll folgen, am Dienstag im Westjordanland. Der Bundespräsident stellt sich in die Tradition der großen Friedenswerker.

Steinmeier ist 1956 geboren, elf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Er ist zu jung, um persönliche Schuld auf sich geladen zu haben, und alt genug, um das bleierne Schweigen zu kennen, das auf der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft lag, die nichts wissen wollte von NS-Verbrechen. "Es dauerte, bis die Seilschaften und die Denkmuster der Diktatur verschwanden und auch die schonungslose Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Nazizeit einsetzte", wird Steinmeier am Sonntagabend in der Hebräischen Universität Jerusalem sagen. Und dass nach "schmerzhaften Fragen" an Eltern und Großeltern eine "tastende, nur langsame Annäherung" an Israel möglich geworden sei.

Erinnern muss immer aufs Neue geübt werden, gerade mit den Jungen, findet Steinmeier. Weiter also, in die Gedenkstätte Yad Vashem - in eine Halle, in der ein Feuer brennt und Rauch durch eine Öffnung in der Decke steigt. Ein Mädchenchor singt, Elke Büdenbender greift nach dem Taschentuch. Sie weint, und es wird nicht wirklich besser, als die Gäste mit vorsichtigem Schritt in die Finsternis des Denkmals für die ermordeten Kinder eintauchen. Spiegel werfen das Licht von Kerzen in die Dunkelheit, ein Sternenhimmel. Eine Stimme verliest die Namen getöteter Kinder.

"Unfassbare Schuld haben wird Deutschen auf uns geladen", schreibt Steinmeier ins Gästebuch. Deutschland stehe "fest an der Seite Israels" und arbeite "für eine gemeinsame Zukunft". Es mag originellere Denksätze geben, wenig später aber, in der Residenz des israelischen Präsidenten, erläutert Steinmeier, was er mit der Arbeit an einer gemeinsamen Zukunft meint. Der Gastgeber Reuven Rivlin hat eben erklärt, Israel sei eine lebendige Demokratie - auch wenn manche Äußerungen "schwer verdaulich und empörend" seien.

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Die Zahl der Israel-Freunde in der Welt ist nicht größer geworden

Äußerungen wie von Breaking the Silence sind da wohl gemeint, eine genauere Kritik erspart Rivlin dem Gast. Der spielt den Ball gleich zurück. Das deutsch-israelische Verhältnis sei belastbar, könne "einige Turbulenzen" der letzten Wochen aushalten. Zu wichtig sei die Freundschaft, um sie "allein an der Frage zu messen, wer legitime Gesprächspartner sind oder sein sollten". Was er nicht sagt, jedenfalls nicht öffentlich, die Gastgeber aber vielleicht wissen lässt: Dass die Zahl der Israelfreunde in der Welt nicht größer geworden ist, auch nicht in Deutschland. Und dass es Klügeres gibt, als denen, die Israel noch wohlwollend begegnen, den Mund verbieten zu wollen. Wir reden, mit wem wir wollen, das ist eine Botschaft von Steinmeiers Visite. Und abends, an der Hebräischen Universität, will er seinen Standpunkt noch ein wenig anspitzen. Vor einem Hörsaal voller Studenten verneigt er sich in seiner Rede erst einmal tief vor Schimon Peres, den er zum Kronzeugen gesellschaftlicher Vielfalt macht. Demokratie, so habe Peres geschrieben, beruhe auch auf dem Recht auf Verschiedenheit. Gerade weil Israel diese Vielfalt so erfolgreich lebe und hier ein Vorbild sei, wollten die Deutschen in Israel schwierige Fragen "mit möglichst vielen unterschiedlichen Gruppen" besprechen. "Sprechverbote helfen nicht beim Verstehen, und sie schaffen insbesondere kein Verständnis", sagt Steinmeier. Demokraten hätten die Fähigkeit zur Selbstkorrektur. "Bei Autokraten gibt es sie nicht." Als der Gast zum Ende gekommen ist, wird applaudiert im Hörsaal, wenn auch nicht euphorisch. Steinmeier aber macht nicht den Eindruck, als könne ihm das die Stimmung verderben. Am Montag will er regierungskritische Autoren treffen, am Dienstag ins Westjordanland.

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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