SPD:Was nun, Herr Schulz?

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Der Aufwärtstrend der Sozialdemokraten ist vorerst gestoppt, dazu trägt auch ihr Kanzlerkandidat bei. Statt weiter allein auf die eigene Stärke zu setzen, sucht er nach Koalitionspartnern.

Von Stefan Braun, Berlin

Martin Schulz tut, was er kann. Wirklich. Der Kanzlerkandidat der SPD reist auch dieser Tage von Termin zu Termin und äußert sich zu allen möglichen Themen. Auf einer kommunalpolitischen Tagung seiner Partei lobt er Gemeinderäte und Bürgermeister als "Helden der Politik". Wenig später schwelgt er über die Ehrenamtlichen; sie seien es, die den "Laden am Laufen" hielten.

Zwischen allen Auftritten eilt er ins Düsseldorfer "Roncalli's Apollo Varieté", um sich ganz aktuell zum US-Angriff auf Syrien zu Wort zu melden. Und wieder nur kurze Zeit später erklärt er, wie er den Anschlag von Stockholm empfindet. Schulz rackert für seine Partei; er tut alles, um der Rolle als Hoffnungsträger gerecht zu werden.

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Nur mit der Hoffnung hapert's inzwischen ein wenig. Das jedenfalls suggerieren die jüngsten Umfragen. Forsa, Allensbach, Politbarometer - die Institute vermeldeten in den vergangenen Tagen, der Aufwärtstrend für die SPD sei fürs Erste gebremst, und die Kanzlerin lege wieder zu bei den Bürgern.

Nun sind das nur Momentaufnahmen. Doch so sehr Schulz ab Ende Januar von dem Boom lebte, den er selbst mit ausgelöst hat, so berechtigt ist die Frage, was diesen Boom nun abbremst. Seit einigen Tagen umschmeicheln der Kandidat und seine SPD mit sehr freundlichen Worten die FDP; das wirkt wie ein Beleg dafür, dass er selbst plötzlich an der eigenen Kraft zweifelt. Was ist passiert?

Abwehrreflexe auf die Linke

Der Blick fällt zunächst auf das Saarland. Die Landtagswahl dort, so die weit verbreitete Lesart, habe gezeigt, dass die Aussicht auf ein SPD-Bündnis mit den Linken starke Abwehrreflexe auslösen könnte. Falsch ist das nicht; als die Debatte über ein solches Bündnis immer lauter geführt wurde, gab es einen Trend Richtung Christdemokraten.

Dahinter aber steht nicht nur eine mögliche Aversion gegenüber der saarländischen Linken Oskar Lafontaines. Im Kern geht es um die Frage, was Spitzenkandidaten generell auslösen, wenn sie plötzlich über Koalitionsoptionen reden.

Lange Zeit lebte Schulz davon, dass er darüber nichts und über seine Ziele als Sozialdemokrat sehr viel sagte. Als er Ende Januar inthronisiert wurde, verblüffte er seine Genossen mit der selbstbewussten Botschaft, er wolle Bundeskanzler werden. Jahrelang hätte das fast lächerlich geklungen; jetzt sagte er es so oft, bis es bei der SPD verfing - und Glücksgefühle auslöste.

Dazu betonte Schulz, die SPD werde aus sich selbst heraus stark werden. Wer künftig mit ihr koalieren wolle, müsse auf die SPD zukommen. Glaubt man, was viele Sozialdemokraten seither erzählen, dann war das die stärkste Kraft, die sie wieder an sich selbst glauben ließ. Nicht mithilfe irgendwelcher Partner - aus sich selbst heraus sollte die SPD wieder "groß" werden.

Merkel wirkt gelassen

Dann nahte die Saarland-Wahl und mit ihr die Frage, mit wem es für die SPD klappen könnte. "Wo ist die Machtoption?", raunten die sogenannten Experten. Und die SPD ließ sich anstecken. Schulz gab mit einem Mal Debatten Raum, die er vorher vermieden hatte. Ja, plötzlich setzte auch er selbst auf Signale Richtung Linkspartei, um ein Bündnis möglich erscheinen zu lassen.

Die Folge: Die SPD wurde nicht mehr alleine gedacht, sondern mit Anhang. "Die Leute redeten nicht mehr über die neue SPD, sondern über den alten Lafontaine", wie es ein erfahrener Sozialdemokrat aus dem SPD-Vorstand ausdrückt.

Inzwischen ist für viele Sozialdemokraten nicht mehr die Saarland-Wahl das erste Thema. Sie fragen sich, wie klug es war, auf die verunglückte rot-rote eine riskante rot-gelbe Debatte folgen zu lassen. Schulz und Fraktionschef Oppermann hatten in der vergangenen Woche derart freundlich über die FDP gesprochen, dass manche in der SPD sich irritiert die Augen rieben.

Und die Kanzlerin? Tut alles, um bei all dem sehr gelassen zu wirken. Also bedankt sie sich Ende vergangener Woche bei Hunderten Flüchtlingshelfern, besucht am Samstag einen Landesparteitag in Mecklenburg-Vorpommern und ruft in ihrem wöchentlichen Podcast Deutschlands Eigenheimbesitzer auf, die Zuschüsse für umweltfreundliche Heizungsanlagen abzurufen. Vor wenigen Wochen hatte sie ihre eigenen Leute noch gewarnt, angesichts des Schulz-Hypes nicht nervös zu werden. Die Sorge treibt sie derzeit offenbar nicht mehr allzu sehr um. Aus ihrer Sicht hat die Nervosität gerade die Seiten gewechselt.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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