CDU:Die Gärtnerin und das Unkraut

Parteichefin Angela Merkel hat die eigenen Leute von ihrer Flüchtlingspolitik bis heute nicht überzeugt, sondern zieht sie nur mühsam hinter sich her. Das ist ihr größtes Problem im Wahlkampf.

Von Nico Fried

Die vergangene Woche hat gezeigt, dass Angela Merkels größtes Problem im Wahljahr 2017 nicht unbedingt die SPD mit Martin Schulz sein wird, sondern die eigene Partei. Das Thema, an dem sich das offenbart, ist die Zuwanderungspolitik. Und die Linie, die Merkel von großen Teilen ihrer CDU trennt, ist die zwischen Zuversicht und Zweifel.

Die Kanzlerin hat jüngst mit einem Besuch im Stadion des 1. FC Köln dessen Integrationsoffensive gewürdigt. Sie hat sich in Berlin ein weiteres Mal mit den Verbänden getroffen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Und sie hat im Kanzleramt ehrenamtliche Helfer empfangen, um all jenen zu danken, die sich auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise "nicht hingesetzt und kritisiert haben, sondern die angepackt haben", wie es Merkel jüngst selbst formulierte. Die Kanzlerin sieht sich gewissermaßen als oberste Gärtnerin in blühenden Landschaften der Integration. Einer wie Jens Spahn versteht sich da eher als Mann fürs Unkraut.

Merkel zieht die eigenen Leute weiter mühsam hinter sich her

Der Finanzstaatssekretär, zugleich auch Mitglied im CDU-Präsidium, und viele, die denken wie er, thematisieren immer wieder vor allem das, was sie für Auswüchse fehlerhafter Zuwanderungspolitik halten. Sie kritisieren nicht gezielt Merkel, sie bedienen ein diffuses Unwohlsein über den Umgang mit Zuwanderung im Allgemeinen und mit Muslimen im Besonderen. Deshalb fordern diese Skeptiker ein Verschleierungsverbot, plädieren für eine Rücknahme der doppelten Staatsbürgerschaft und setzen sich für ein Islamgesetz ein, sei es inhaltlich und rechtlich noch so fragwürdig. In allem haben sie Merkel gegen sich. Und genau so ist es auch gewollt.

Dieser Gegensatz spaltet die CDU. Und er tritt umso deutlicher zutage, seit CSU-Chef Horst Seehofer von der Bekämpfung Merkels wieder aufs Anschmusen umgeschaltet hat. Dieser Gegensatz zeigt zudem, dass die CDU Merkels Flüchtlingspolitik stets nur widerwillig mitgetragen hat; dass die Kanzlerin die eigenen Leute nicht mitgerissen hat, sondern sie weiter mühsam hinter sich herzieht. Wenn Merkel in Reden vor ihrer Partei dazu aufruft, doch zu sehen, was in der Flüchtlingspolitik geschafft worden sei, rührt sich oft keine Hand. Wenn sie aber vom Abschieben redet, tobt der Saal. Die CDU schafft es nicht, gleichzeitig Gelungenes zu sehen und Probleme nicht zu verschweigen. Sie schafft immer nur eins von beidem. So wirkt auch sie wie eine Partei aus solchen, die anpacken, und solchen, die kritisieren.

Die Kanzlerin sieht das Problem. Sie warnt die CDU immer wieder davor, nicht zu dem zu stehen, was man geleistet habe. Als mahnendes Beispiel dient ihr der Niedergang der SPD im ewigen Streit um Gerhard Schröders Agenda. Weil das noch nicht verfängt, sucht Merkel gemeinsame Gegner, auf die sie sich mit ihren Kritikern verständigen kann. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger von der SPD ist so ein Watschenmann. Es ist aber zweifelhaft, ob Merkels Attacken auf ihn genügen, den Eindruck zu überdecken, sie bekomme den eigenen Laden nicht in den Griff.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: