SPD vor Parteitag:Wie Schulz die große Koalition noch retten kann

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Die Parteichefs Seehofer, Merkel und Schulz bei der Präsentation der Sondierungsergebnisse. (Foto: AFP)

Der SPD-Chef muss sich selbst zurücknehmen und sein Versprechen halten, nicht in ein Kabinett Merkel einzutreten. So könnte er den Parteitag für Koalitionsverhandlungen mit der Union gewinnen.

Von Heribert Prantl

Am kommenden Sonntagnachmittag zu Bonn entscheidet sich das Schicksal der Republik. Wenn der SPD-Parteitag das Sondierungspapier ablehnt und den Weg der Partei in die große Koalition versperrt, ist es mit der geschäftsmäßigen und geschäftsführenden Ruhe in Deutschland vorbei. Dann wird es im Spätsommer Neuwahlen geben. Dann beginnt ein Wahlkampf, wie ihn Deutschland noch nicht erlebt hat.

Es wird ein Wahlkampf sein mit mehr Fragezeichen denn je, ein Wahlkampf, von dem man nicht einmal weiß, wer ihn anführen wird. Noch einmal Merkel für die Union? Das ist nicht gewiss. Noch einmal Schulz für die SPD? Das wäre ein Witz.

Es wird im Übrigen ein Wahlkampf sein, von dem nicht nur die SPD nicht weiß, wie sie ihn bezahlen soll. Die Partei kann sich ja schon den Sonderparteitag in Bonn kaum leisten. Und den anderen Parteien geht es wenig anders. Der Wahlkampf 2017 hat ausgezehrt. Aber leere Kassen sind kein besonders gutes Argument für eine große Koalition. Das Sondierungspapier, das CDU, CSU und SPD ausgehandelt haben, ist es aber nach dem Urteil vieler Genossen auch nicht.

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Parteichef Schulz betont, dass nach zwei Jahren eine Bilanz über eine mögliche Koalition mit der Union gezogen werden soll.

Der Parteitag steht Spitz auf Knopf. Aus dem Groko-Nein-Votum der SPD-Landesverbände Berlin und Sachsen-Anhalt kann sich ein Sog entwickeln, der die Delegierten aus Nordrhein-Westfalen (auf sie kommt es ganz wesentlich an) mitreißt. Die Bereitschaft, sich mitreißen zu lassen, ist in NRW groß - weil das Sondierungspapier, das Schulz & Co ausgehandelt haben, wenig Halt gibt. Schulz hat nicht gut verhandelt; er war den Verhandlern von CDU und CSU nicht gewachsen. Und es ist schwer, auf dem Bonner Parteitag Stroh zu Gold zu spinnen; da helfen die rhetorischen Gaben, die Schulz hat, wenig.

Die große Koalition, eine pragmatische Koalition

Nur wer selbst begeistert ist, kann andere begeistern - das ist ein beliebter Motivationssatz in der Politik. Das Schwierige am Sondierungsergebnis ist, dass damit sozialdemokratische Begeisterung nicht entfachbar ist; und die andauernden Sticheleien der CSU tun ein Übriges; sie wirken stark abtörnend. Das Sondierungspapier ist ein pragmatisches Papier, so wie die neue große Koalition, wenn sie denn zustande kommt, eine pragmatische Koalition sein wird - geboren aus der Einsicht, dass diese Koalition besser ist als Neuwahlen und besser als eine Zeit der Unsicherheit.

Martin Schulz hat es in der Hand, seinen Parteitag für die pragmatische Koalition zu gewinnen - aber nicht mit überschäumender Begeisterung für das Sondierungspapier; die wäre aufgesetzt, unglaubwürdig und daher falsch. Er kann seinen Delegierten versprechen, in den Koalitionsverhandlungen noch einiges zu erreichen. Das ist machbar. Er kann vor allem, und das wird das Wichtigste sein, zeigen, dass es ihm nicht um ihn selbst, sondern um die Partei und um das Land geht. Dazu braucht es die Demut des Dienens, die ja auch zu den Tugenden der Sozialdemokratie zählt.

Schulz muss sein Versprechen einhalten, nicht ins Kabinett Merkel zu gehen

Schulz wird den Parteitag dann überzeugen können, wenn er zwei Dinge erklärt. Erstens: Dass er bei seinem Versprechen bleibt, niemals in ein Kabinett unter Merkel einzutreten. Damit wäre klar, dass er nicht wegen persönlicher Ambitionen für eine große Koalition wirbt, sondern weil er dies zum Wohl von Partei und Land für richtig hält. Zweitens: Er müsste ankündigen, dass er seine Partei nur für eine Übergangszeit führt, um bei der nächsten Vorsitzendenwahl in zwei Jahren die Parteiführung abzugeben. Malu Dreyer beispielsweise könnte ihm dann nachfolgen - und Kandidatinnen für eine Kanzlerkandidatur gäbe es dann in ein paar Jahren wohl einige; aber nicht jetzt.

Als Übergangsvorsitzender träte Schulz in die Stapfen von Parteigrößen wie Hans-Jochen Vogel und Johannes Rau. Das sind nicht die schlechtesten Vorbilder. Und Johannes Raus Satz "Versöhnen statt spalten" ist ein Motto, das die Partei derzeit wirklich wieder gut brauchen kann.

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