SPD-Parteitag in Augsburg:Wider den Generalverdacht Deppen-Truppe

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Zuversichtlich: Mit einer 60-minütigen Rede auf dem Parteitag will Steinbrück die Wähler von sich überzeugen. (Foto: dpa)

Die Stimmung in der SPD ist schlecht, die Umfragen werden auch nicht besser. Und die ständige Kritik an Peer Steinbrück nährt die Zweifel an einem Wahlsieg von Rot-Grün im Herbst. Doch auf dem Parteitag in Augsburg will der Kanzlerkandidat in einer einstündigen Rede der Larmoyanz den Kampf ansagen - und eine Wende herbeiführen.

Von Susanne Höll, Berlin

Gut, dass die SPD Claudia Roth zu ihrem Parteitag in Augsburg eingeladen hat. Denn zu den unumstrittenen Begabungen der Grünen-Vorsitzenden gehört die Fähigkeit, auch in schwierigen Zeiten Optimismus zu verbreiten. Letzteres können die Sozialdemokraten gebrauchen.

Die Stimmung ist gedrückt, die SPD trägt eine schwere Last. Die Umfragen werden nicht besser, sondern schlechter, für die Partei und ihren Spitzenkandidaten Peer Steinbrück. Der muss persönlich viel Kritik und Häme einstecken, die inzwischen vielen ungerechtfertigt erscheint. Ebenso wie der Vorwurf an die Partei, sie habe ihren Wahlkampfslogan "Das Wir entscheidet" von einer Leiharbeitsfirma übernommen und sei mithin selbst "zu blöd zum Googeln" (taz). "Wenn man als Partei an der Grenze zur Lächerlichkeit balanciert, wird es gefährlich", sagt ein sozialdemokratischer Wahlkämpfer.

Das Programm allein führt nicht zum Erfolg

Die SPD mitsamt dem Herausforderer steht, wie auch Hochmögende in der Partei zu ihrem Leidwesen feststellen müssen, inzwischen unter einer Art öffentlichem Generalverdacht, eine Deppen-Truppe zu sein. Und in der Partei machen sich inzwischen erste Zweifel breit, ob dieser Wahlkampf zusammen mit den Grünen überhaupt noch zu gewinnen ist. Zuversicht ist also vonnöten.

Steinbrück und der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel sind, wie es heißt, fest entschlossen, eben dieses Gefühl zu vermitteln. Der Auftritt des Kandidaten steht im Mittelpunkt des Parteitages und stellt den Anlass der Zusammenkunft, die Diskussion und die Verabschiedung des Wahlprogramms, in den Schatten. Große kontroverse Debatten über zentrale Punkte des Programms - Steuererhöhungen für Gutverdiener, Mindestlöhne, striktere Regeln für Leiharbeit, mehr Geld für Bildung und Kampf gegen Wildwuchs auf den Finanzmärkten und in Steueroasen - werden ohnehin nicht erwartet. Inhaltlich ist sich die SPD im Bundestagswahljahr ziemlich einig und zufrieden mit ihrem Themenkatalog. Doch das Programm allein führt nicht zum Erfolg. Das wissen auch Steinbrück und Gabriel.

Wegweisend statt wehleidig in den Parteitag

Der Kanzlerkandidat wird, so jedenfalls heißt es, eine Rede halten, die jedweden Defätismus im Keim ersticken soll. Er werde den Leuten im Saal und den Wählern im Land erklären, "warum er Kanzler werden will und wird", heißt es. Das ist auch nötig, denn inzwischen sind auch diejenigen, die in der Partei früh und engagiert für ihn als Herausforderer geworben hatten, enttäuscht von Steinbrück. So lang wie auf dem Nominierungsparteitag im Dezember in Hannover, als er fast zwei Stunden sprach, will er in Augsburg nicht vortragen, diesmal sind 60 Minuten eingeplant. Und angeblich steht auch schon fest, was von ihm nicht oder allenfalls beiläufig zu hören sein wird: Medienschelte nämlich. Mit Blick zurück auf Fehler und Pannen in der Kandidatenzeit soll und will er jedweden Anschein von Wehleidigkeit vermeiden.

Auch Gabriel will in Augsburg kurz sprechen, allenfalls eine halbe Stunde. Er möchte, dass vom Parteitag vornehmlich eine Botschaft ausgeht: "Die SPD will den Kapitalismus bändigen". Die Bürger, so der sehnliche Wunsch der roten Granden, sollen über Themen, nicht über das Personal diskutieren. Auch deshalb wird Steinbrück die Vorstellung seines sogenannten Kompetenzteams voraussichtlich in die zweite Maihälfte schieben.

Und derweil wird die Partei weiter und inzwischen trotzig mit dem Motto: "Das Wir entscheidet" werben. Zwar ärgern sich auch manche im Willy-Brandt-Haus, dass man trotz umfangreicher Vorklärung nicht auf die Leiharbeitsfirma stieß, die diesen Slogan verwendet. Auf die Frage, ob man es nicht hätte verhindern können, dass die SPD und das Unternehmen mit demselben Spruch werben, sagte Steinbrück in der ARD: "Hätte, hätte, hätte - Fahrradkette. Natürlich hätte das technische Wahlkampfmanagement der SPD dies machen sollen. Aber nun ist es auch gut."

Die Aufregung über dieses Motto dürfte sich schnell legen, anders als die Zweifel an einem Wahlerfolg. Namhafte Sozialdemokraten fragen sich inzwischen, ob ihre Spitzenleute im Willy-Brandt-Haus das Ziel Rot-Grün schon aufgegeben haben und sich insgeheim auf eine neue große Koalition einrichten. Mit Entsetzen vernehmen Vertreter der Führungsspitze erklärtermaßen solche Eindrücke. Und versichern, dass das Unsinn sei. Schließlich würde eine neue große Koalition die Partei vor eine Zerreißprobe stellen.

Gabriel weist Bericht der FAZ zurück

Gabriel muss sich auch anderer Spekulationen erwehren. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung konnte er am Freitag unter Berufung auf sein eigenes parteiliches Umfeld lesen, er wolle im Fall eines schlechten Ergebnisses am 22. September Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier für einen Misserfolg verantwortlich machen. Steinmeier hatte mit seinem allseits überraschend erklärten Verzicht auf die Kanzlerkandidatur dafür gesorgt, dass Steinbrück überstürzt schon im September gekürt wurde und so in eine Kandidatur hineinstolperte. Gabriel lässt diesen Bericht, der als Zeichen von Defätismus gewertet werden müsste, strikt zurückweisen.

Setzt sich der Eindruck fest, dass der Steinbrück-Erfinder Gabriel nicht mehr an einen Erfolg mit dem Kandidaten glaubt, wäre der SPD-Wahlkampf zum Scheitern verurteilt. Noch geben die Funktionäre der Partei den Wahlstrategen etwas Zeit und Raum. Bis zum Beginn der Sommerferien allerdings müssten sich die Umfragen bessern, verlangten die Teilnehmer der Konferenz der SPD-Fraktionsvorsitzenden in Düsseldorf jetzt von der Parteizentrale.

© SZ vom 13.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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