Spanien:Rajoy droht erneut zu scheitern

Lesezeit: 2 min

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hofft darauf, eine Mehrheit für eine Regierungsbildung zu erreichen. (Foto: AFP)
  • Die spanische Parlamentskammer stimmt am Mittwoch über eine weitere Kandidatur von Ministerpräsident Mariano Rajoy ab.
  • Es gilt jedoch als sicher, dass Rajoy die nötige absolute Mehrheit verfehlen wird.
  • Der Premier hat vergeblich versucht, die Sozialisten umzustimmen. Deren Argumente gegen Rajoy werden von Kommentatoren als Heuchelei kritisiert.

Von Thomas Urban, Madrid

Spaniens amtierender Ministerpräsident Mariano Rajoy hat am Dienstag im Congreso de los Diputados, dem Unterhaus in Madrid, an die Abgeordneten appelliert, seine Kandidatur für eine weitere Amtszeit zu unterstützen. Die Parlamentskammer muss am Mittwochnachmittag darüber abstimmen. Allerdings gilt es als sicher, dass Rajoy die nötige absolute Mehrheit von 176 Stimmen verfehlen wird. Die von ihm geführte konservative Volkspartei (PP) verfügt seit den vorgezogenen Wahlen im Juni nur über 137 Sitze.

Unterstützung haben ihm sonst nur die liberalen Ciudadanos (32 Mandate) sowie der einzige Vertreter der Kanarischen Koalition zugesagt. Somit würden noch sechs Stimmen fehlen, weil alle anderen Fraktionen angekündigt haben, Rajoy geschlossen abzulehnen. Im Falle seines allgemein erwarteten Scheiterns findet am Freitag eine weitere Abstimmung statt, in der ihm die einfache Mehrheit genügen würde. Es müssten sich dafür also mindestens elf Abgeordnete der Oppositionsparteien enthalten.

Wenn der Haushalt nicht verabschiedet wird, drohen empfindliche Strafen

Sollte auch am Freitag erneut keine Mehrheit zustande kommen, bliebe Rajoy oder einem anderen Kandidaten eine Frist von zwei Monaten, um doch noch ein Kabinett zu bilden. Sollte dieses Prozedere wieder erfolglos bleiben, müsste König Felipe VI. das spanische Parlament auflösen. Neuwahlen würden dann am 25. Dezember stattfinden, die Spanier müssten dann am ersten Weihnachtstag ihre Stimme bei den dritten Parlamentswahlen innerhalb eines Jahres abgeben.

In seiner Rede vor dem Parlament verwies Rajoy auf die Probleme, die auf Spanien zukämen, sollte das Land weiterhin ohne gewählte Regierung bleiben. Falls der Haushalt für 2017 nicht bis Mitte Oktober verabschiedet würde, drohten dem Land empfindliche Strafzahlungen an die EU. Überdies halten sich nach seinen Worten angesichts der allgemeinen Unsicherheit Investoren zurück. Auch fehle der geschäftsführenden Regierung die Kompetenz, dringend erforderliche Reformgesetze auf den Weg zu bringen.

Bisher ist die Regierungsbildung daran gescheitert, dass alle anderen Fraktionen eine weitere Amtszeit Rajoys abgelehnt haben. Ciudadanos-Chef Albert Rivera erklärte nun, seine Partei habe bei diesem Punkt Abstriche gemacht angesichts der Dringlichkeit, den Reformprozess fortzusetzen. Sie werde ein Minderheitskabinett der PP unter Rajoy unterstützen, aber sich nicht an einer von ihm geführten Regierung beteiligen. Vergeblich bemühte sich der Premier ein weiteres Mal am Dienstag, den Chef der Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, von dessen Blockadehaltung abzubringen. Sánchez bekräftigte, dass Rajoy wegen der zahlreichen Korruptionsaffären, in die führende PP-Politiker verstrickt seien, nicht wählbar sei.

Sánchez' Argument wird als Heuchelei kritisiert

Allerdings hat die PSOE selbst mit Verfahren wegen gigantischer Finanzskandale zu kämpfen, sogar zwei frühere Regionalpräsidenten der PSOE-Hochburg Andalusien stehen vor Gericht. Sánchez' Argument wird deshalb von vielen Kommentatoren als blanke Heuchelei kritisiert. Dieser ignorierte sogar Appelle der früheren sozialistischen Premierminister Felipe González und José Luis Zapatero, die Regierungsbildung nicht länger zu blockieren und erst einmal in der Opposition Erfahrung zu sammeln. Sánchez selbst hat nicht verhehlt, dass er selbst eine Koalition mit dem links-alternativen Bündnis Podemos anstrebt.

Sollte die PSOE weiterhin geschlossen gegen Rajoy stehen, so bliebe diesem noch ein Ausweg: Er könnte bei einigen der insgesamt 24 Vertreter der Regionalparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien um Unterstützung werben. Doch hat er in der Vergangenheit immer wieder die Konfrontation mit den Regionalisten gesucht, sodass er sich nun kaum Chancen bei ihnen ausrechnen kann.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Brexit
:Warum Spanien gegen einen EU-Verbleib Schottlands ist

Der spanische Premier Rajoy erteilt den Wünschen der Schotten eine klare Absage. Und hat dabei vor allem eigene Interessen im Auge.

Analyse von Leila Al-Serori

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: