Schuldenkrise in Europa:Euro-Länder sollen Arbeitslosenversicherung bekommen

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Wartende vor einem Arbeitsamt in Madrid: Die EU plant eine Arbeitslosenversicherung.

(Foto: Getty Images)

Wer durch Strukturreformen seinen Job verliert, soll zeitlich befristet Hilfe erhalten: Ein EU-Plan sieht eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung für alle Euro-Länder vor. Die Finanzierung ist allerdings noch vage - und der Vorschlag birgt Probleme, zumindest aus deutscher Sicht.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Die Euro-Länder sollen künftig über eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung reformbedingte, unverhältnismäßig hohe Job-Verluste abfedern. "Ein Versicherungssystem auf zentraler Ebene" soll den Regierungen der Euro-Länder zusätzliche Anreize bieten, sich vertraglich zu verpflichten, verschleppte Strukturreformen anzugehen und wettbewerbsfähiger zu werden.

Bürger, die wegen der Reformen ihren Job verlieren, können über die Arbeitslosenversicherung zeitlich befristet unterstützt werden. Einen entsprechenden Vorschlag unterbreiteten die vier europäischen Präsidenten Herman Van Rompuy (Rat), Jean-Claude Juncker (Euro-Gruppe), José Manuel Barroso (Europäische Kommission) und Mario Draghi (Europäische Zentralbank) am Mittwoch schriftlich allen 27 europäischen Chefs.

Die Herren erarbeiteten ihren Plan zur Reparatur und Weiterentwicklung der Währungsunion in den vergangenen sechs Monaten, stets in enger Abstimmung mit den nationalen Hauptstädten. Im Oktober stimmten die Staats- und Regierungschefs einen Zwischenbericht dazu ab. Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag kommender Woche soll nun der finale Plan "hin zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion " beschlossen werden. Darin werden in drei zeitlichen Stufen (2012/2013, 2013/2014 und nach 2014) verschiedene Umbaumaßnahmen beschrieben, mit denen die Währungsunion krisenfest gemacht und der Euro gesichert werden soll.

Dringen aus Paris

Mit dem Vorschlag einer Arbeitslosenversicherung haben die Präsidenten eine frühere Idee von Kanzlerin Angela Merkel kreativ weiterentwickelt. Merkel hatte im Oktober auf dem Gipfel in Brüssel betont, es sei wichtig, sich mit den Menschen solidarisch zu zeigen, die besonders unter krisenbedingten Reformen leiden. Gleichzeitig müsse sichergestellt werden, dass alle Euro-Länder - nicht nur diejenigen, die mit Krediten aus dem Rettungsfonds gestützt werden - verschleppte Reformen angehen. Und so speiste Berlin in den Vorgesprächen folgenden Plan ein: Alle Euro-Länder sollten sich gegenüber EU-Institutionen vertraglich verpflichten, dass sie sich der Schwachstellen etwa auf ihren nationalen Arbeitsmärkten annehmen und Wettbewerbshemmnisse abbauen.

Die Finanzen lässt der Plan offen

Regierungen, die solche Verträge abschließen, könnten zeitlich begrenzt finanziell unterstützt werden. Berlin schwebte also eine Art Solidaritätsfonds für reformierende Euro-Länder vor. Daraus ist jetzt eine Arbeitslosenversicherung geworden. Das dürfte dem Dringen aus Paris geschuldet sein. Staatspräsident François Hollande wirbt statt für einen Solidaritätsfonds für einen eigenen Euro-Haushalt, aus dem dann das Versicherungssystem finanziert werden sollte.

Abgesehen davon, wie die neue Solidarität unter den Euro-Ländern genannt werden soll, hat Merkel den Text weitgehend vorgegeben. Die Euro-Länder müssen ihre Strukturpolitik besser abstimmen und umsetzen, was sie versprechen, schreiben die vier europäischen Präsidenten - wie aus Berlin gewünscht. Nötig seien "vertragliche Arrangements zwischen den Regierungen und EU-Institutionen", in denen sich die Länder verpflichten, eine zugesagte Wirtschaftspolitik auch durchzuziehen. Erst dann könnten von Fall zu Fall "zeitlich und in der Höhe begrenzte, flexible finanzielle Hilfen gewährt werden".

Finanzierung bleibt vage

Welchen finanziellen Umfang die Versicherung haben wird, lässt der Plan offen. Und auch die Finanzierung bleibt vage: Zahlungen aus den Euro-Ländern und Eigenmittel kämen infrage, heißt es. Zudem sei zu prüfen, ob sich ein Euro-Haushalt irgendwann über den Markt, also über gemeinsam Schulden finanzieren könne. Insgesamt dürfte der Bundesregierung der zum Nikolaustag überstellte Entwurf besser gefallen als seine Vorgänger - in denen stets die Vergemeinschaftung vorhandener Schulden empfohlen wurde. Von Euro-Bonds, europäischer Einlagensicherungsfonds oder europäischer Schuldentilgungsfonds ist nun keine Rede mehr.

Dennoch birgt der Plan aus deutscher Sicht Problematisches: Die vier Herren pochen darauf, ohne weitere Verzögerung alles zu tun, um die gefährliche Spirale zwischen Staatsfinanzierung durch nationale Banken und gleichzeitigem Anstieg des Schuldenberges zu durchbrechen. Nur so könne die Schuldenkrise gebändigt werden, schreiben sie - und bauen enormen Zeitdruck auf. Im Laufe des Jahres 2013 müsse die geplante zentrale Aufsicht über die Banken der Euro-Zone voll operabel sein. Und schon Ende März müsse der Euro-Rettungsfonds ESM in der Lage sein, kranke Banken notfalls direkt - ohne Umweg über die Regierung - zu rekapitalisieren. Genau da steht Berlin gerade voll auf der Bremse.

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