Russland:Widersprüche des Handlungsreisenden Seehofer

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Was wollte der Bayer eigentlich in Moskau? Über die Wirtschaftsbeziehungen reden? Oder doch vor allem Angela Merkel ärgern?

Kommentar von Julian Hans, Moskau

In scheinbar aussichtslosen Situationen soll man auch das scheinbar Unmögliche versuchen. Es sei also angenommen, CSU-Chef Horst Seehofer sei ein selbstloser Politiker, der reinen Herzens nach Moskau gereist ist, um seinem Land Bayern zu dienen und das Wohl seiner Bürger zu mehren.

Welches sind dann die Interessen Bayerns, über die Seehofer mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hätte sprechen können? Eines hat er genannt: Der Handel soll wieder in Gang kommen, bayerische Unternehmen würden gern wieder so viel nach Russland verkaufen wie im Rekordjahr 2013. Nur hat der massive Rückgang, den der russische Außenhandel seit zwei Jahren erlebt, wenig mit den westlichen Sanktionen zu tun. Selbst Russlands Warenaustausch mit China ist 2015 fast um ein Drittel eingebrochen, während Moskau und Peking die Beziehungen als so gut wie nie preisen.

Dass den Russen das Geld für Investitionen und Konsum fehlt, liegt an den niedrigen Energiepreisen. Die aber kann selbst Seehofer nicht beeinflussen. Bayerische Unternehmen machen ja auch weiter Geschäfte mit Russland, Einschränkungen gibt es nur in drei Bereichen: Es dürfen keine Rüstungsgüter geliefert werden und keine Technik zur Erschließung neuer Öl- und Gasfelder. Moskau seinerseits verbietet den Import von Agrarprodukten. Die Verluste daraus hat der Freistaat längst ausgeglichen, für 2016 erwartet er einen neuen Rekord im Agrarexport.

Was wollte Seehofer in Moskau? Wirtschaftliches war es nicht

Wäre Seehofer konsequent, müsste er sagen: Wir wollen auch wieder Leberkäs, Spezialbohrer sowie Steuerungstechnik für Lenkwaffen an Moskau liefern. Seine Forderung nach einem Ende der Sanktionen "in überschaubarer Zeit" (statt nach der Umsetzung des Minsker Waffenstillstandsabkommens für die Ostukraine) bedeutet: Lasst uns so tun, als sei alles wie früher, selbst wenn russische Waffen und russische Spezialkräfte im Donbass kämpfen und die Ukraine die Kontrolle über ihre Außengrenzen nicht wiedererlangt hat.

Gerade die Bedeutung des letzten Punktes sollte Seehofer eigentlich klar sein, schließlich hat er sich zuletzt als Befürworter klarer Grenzen hervorgetan. Dass er dann aber in einem Moment, in dem die syrische Armee mit russischer Unterstützung die nächste Flüchtlingswelle auslöst, Putin die Hand reicht, kann nur heißen, dass Wirtschaft und Flüchtlingskrise für Seehofer in Wahrheit zweitrangig sind, solange er Angela Merkel schwächen kann.

Ausgerechnet Seehofer muss nun noch einmal den Allgemeinplatz wiederkäuen, dass es wichtig ist, mit Russland zu reden. So als fänden nicht dauernd Gespräche statt, als redeten die Außenminister, die Bundeskanzlerin und Putin nicht ständig. Das Problem ist eher: Es ist ein sehr schwieriger Dialog, mehr steter Tropfen als Zimmerspringbrunnen. Immerhin zeigt Seehofers Besuch, dass die Sanktionen wirken: Wenn Putins Fernsehen den Besuch eines Ministerpräsidenten ohne außenpolitische Prokura zum Großereignis aufbauscht, muss die Verzweiflung groß sein.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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