Tsipras und Putin:Zwei Populisten wollen Europa ärgern

Russian President Putin and Greek Prime Minister Tsipras attend a signing ceremony at the Kremlin in Moscow

Wladimir Putin (rechts) und Alexis Tsipras haben letztendlich dasselbe Problem: Es fehlen Euro und Dollar.

(Foto: REUTERS)

Europa empört sich über den Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Moskau. Aber Alexis Tsipras hat gute Gründe für seine Reise. Für Wladimir Putin wiederum geht es um eine existenzielle Frage.

Kommentar von Julian Hans, Moskau

Wie sich die Szenen gleichen: Zwei Jahre ist es her, dass auf dem Höhepunkt der Bankenkrise Zyperns Finanzminister Michalis Sarris nach Moskau eilte, in der Hoffnung, dem harten Schnitt doch noch zu entkommen. Europa war empört, Moskau gefiel sich als umworbene Braut, half aber nicht. Reiche Kunden zyprischer Banken - darunter viele Russen - verloren einen Teil ihres Vermögens und Sarris seinen Posten.

Nun empört sich Europa über den Besuch des griechischen Ministerpräsidenten in Moskau. Aber Alexis Tsipras und Wladimir Putin haben zu viele gemeinsame Interessen, als dass der Grieche dieser Versuchung hätte widerstehen können. Ganz nüchterne und ganz politische.

Zunächst die nüchternen: Wenn ein Land kurz vor dem Abgrund steht, ist es klar, dass die Regierung mit allen spricht, die den Absturz verzögern oder abfedern könnten. Wenn Athen die geforderte Privatisierung durchführen will, braucht es Käufer. Moskau ist interessiert an griechischen Häfen und an der Ausbeutung der Öl- und Gasfelder, die vor der Küste vermutet werden, um so in Zukunft nicht nur einen Fuß sondern ein ganzes Bein in Europa zu haben.

Wie Putin den Besuch von Tsipras nutzen und Europa schaden will

Doch letztlich haben beide dasselbe Problem: Es fehlen Euro und Dollar. Die Sanktionen beschränken den Zugang russischer Banken zu den internationalen Kapitalmärkten. Vor die Wahl gestellt, ob er mit seinen Reserven lieber die eigenen Banken rettet oder über den Umweg Griechenland die europäischen, muss Putin nicht lange überlegen. So weit das Geschäft.

Mindestens ebenso wichtig ist diesmal aber die Politik. Putin und Tsipras haben beide einen Konflikt mit Brüssel. Putin wegen der Krim-Annexion und des Kriegs im Donbass. Tsipras wegen der griechischen Schulden. Die Chance, Brüssel ein bisschen zu ärgern, vielleicht sogar unter Druck zu setzen, lassen sich die beiden Populisten nicht entgehen.

Die Bilder vom Besuch kosten zudem fast nichts und sind trotzdem wertvoll. Sie erwecken den Anschein, Russland sei keineswegs isoliert, Europa dagegen so schwach, dass seine Mitglieder als Bittsteller nach Moskau kommen. Ebenso billig ist die Ausnahme beim russischen Embargo gegen europäische Lebensmittel. Sie treibt den Keil voran, der die Einheit der EU-Staaten in der Sanktionsfrage brechen soll. Das ist Putins kurzfristiges Ziel.

Langfristig geht es um mehr. Das Beispiel Ukraine hat gezeigt, wie stark die Anziehungskraft der EU ist. Sie reicht weit in Gebiete hinein, die Putin als Einflusssphäre Russlands betrachtet. Dieser Attraktivität hatte Putin nichts entgegenzusetzen als Bestechung und Gewalt. Erst brachte er den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit 15 Milliarden dazu, den Assoziationsvertrag mit der EU nicht zu unterzeichnen, dann annektierten seine Soldaten die Krim.

Die EU entfaltet ihre Kraft dagegen aus gemeinsamen Regeln und Wettbewerb. Weil Putin dadurch Russlands Status als Großmacht bedroht sieht, entsteht daraus ein echter Systemkonflikt.

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