Republikaner in den USA:Zurück aus dem Nichts

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Das Ziel der Republikaner: das Weiße Haus. Um dorthin zu gelangen, müssen sie sich allerdings von ihrer Politik des Nihilismus verabschieden. (Foto: dpa)

Zum ersten Mal seit acht Jahren beherrschen die Republikaner wieder den Kongress. Ihr nächstes Ziel ist ein republikanischer Präsident. Wollen sie das erreichen, gilt allerdings: Die Zeit wilder rechter Träume ist vorbei.

Kommentar von Nicolas Richter, Washington

Verzweifelt man an der politischen Erstarrung Washingtons, sollte man die "Independence Hall" in Philadelphia besuchen; dann erschließt sich, dass die Lähmung immerhin geplant war. Als die Staatsgründer hier Ende des 18. Jahrhunderts eine Verfassung formulierten, waren Amerikas junge Staaten schon sehr selbstbewusst. Einem System namens USA wollten sie sich nur unterwerfen, wenn die Macht sorgfältig geteilt und verteilt würde. Dieses Misstrauen gegenüber der Macht - und den eigenen Landsleuten - bestimmt das politische Leben bis heute. Seit Jahrzehnten ist "divided government" sogar eher die Regel, Präsident und Parlamentsmehrheit gehören dann zu verschiedenen Parteien und machen einander das Leben schwer.

Die Republikanische Partei versucht nun gleichwohl, alle drei Machtzentren Washingtons zurückzugewinnen: Vor vier Jahren hat sie das Abgeordnetenhaus eingenommen, zuletzt den Senat. Aber das größte Ziel, die Präsidentschaft, muss sie erst noch erreichen. "Die Amerikaner sollen sich vor diesem Gedanken nicht gruseln müssen", sagt Mitch McConnell, Chef der Republikaner im Senat. Tatsächlich legt das Erscheinungsbild seiner Partei nahe, dass eine Hauptstadt unter vollständiger Kontrolle der Republikaner nicht nur gruselig, sondern sehr gespenstisch wäre. Immerhin hat die Partei nun Gelegenheit, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen, sogar für die höchste.

In jüngerer Zeit waren die Republikaner eine Partei des Nihilismus. Ihre Anführer riefen es zur Strategie aus, dem demokratischen Präsidenten Barack Obama jeden Erfolg zu verweigern. Derweil bestimmte die Tea Party die Ideologie: Sie träumte von einem Staat mit sehr beschränkten Mitteln und Kompetenzen, wie er Ende des 18. Jahrhunderts skizziert wurde. Der Versuch der Rechten, diese Idee in die Moderne zu übertragen, etwa mit schuldenfreien Budgets, führte Ende 2013 beinahe zum Staatsbankrott.

In letzter Zeit haben die gemäßigten Republikaner ihre Partei wieder besser in den Griff bekommen. Nun, da sie zum ersten Mal seit 2007 wieder das komplette Parlament beherrschen, können sie nicht nur regieren, sie müssen es auch. Sie müssen ihren Ruf ablegen, eine Partei des Neins zu sein. Die Partei, die jüngst immer weniger Staat wollte, soll jetzt als Regierungspartei Staat machen.

Noch wirken die Republikaner wie Regierungspraktikanten. Sie tasten sich heran. Es ist kein Zufall, dass House Speaker John Boehner am Dienstag weniger damit beschäftigt war, ein Regierungsprogramm vorzustellen, als einen Aufstand am rechten Rand seiner Fraktion im Repräsentantenhaus zu ersticken. Wenn sich Amerika also nicht gruseln soll beim Gedanken, diesen Republikanern alle Macht zu geben, dann muss sich die Partei dreifach bewähren.

Republikaner müssen Kompromisse suchen

Erstens muss sie im Parlament diszipliniert und realistisch auftreten. Ihre große Mehrheit verdankt sie mehr dem Wahlrecht als den demografischen Verhältnissen. Die Partei muss also nicht nur für ihre Wahlkreise regieren, sondern für alle. Der Präsident heißt noch immer Obama, er kann gegen jedes Gesetz ein Veto einlegen und strotzt wegen der guten Wirtschaftslage vor Selbstbewusstsein. Die Republikaner also müssen Kompromisse suchen, wo sie möglich sind: bei Infrastruktur, Freihandel, Steuern. Die Zeit wilder rechter Träume - etwa die Gesundheitsreform abzuschaffen - sollte vorüber sein.

Zweitens muss die Partei einen Kandidaten finden für die Präsidentschaft, der alle Amerikaner anspricht. Ein strukturelles Problem steht da im Wege: Wer die Vorwahlen gewinnen möchte, muss oft so weit nach rechts rücken, dass er für den Rest des Landes nicht mehr vermittelbar ist. In jedem Fall muss der Sieger Empathie zeigen. Es ist der Mangel an Empathie für die Schwachen, die kühle kapitalistische Gleichgültigkeit, die dem republikanischen Kandidaten Mitt Romney 2012 zum Verhängnis wurde.

Drittens brauchen die Republikaner ein Programm, das nicht nur die Tea Party begeistert. Die größere Auseinandersetzung um mehr oder weniger Staat hat viele republikanische Erfolge gezeitigt, siehe Ronald Reagan oder Newt Gingrich. Nach Jahren des starken Staats unter Obama könnte ein Schlanker-Staat-Republikaner durchaus wieder attraktiv sein. Doch angesichts wachsender Ungleichheit müssen die Republikaner erklären, wie sich Gerechtigkeit herstellen lässt. Es reicht nicht, immer bloß die Steuern zu senken und den Rüstungsetat zu erhöhen.

Möchten die Republikaner das Weiße Haus erobern, müssen sie aus dem Nichts kriechen, das sie selbst geschaffen haben. Die Staatsgründer haben dem Land einen Staat mit geteilten Gewalten verschrieben - nicht einen Staat, den man bis zur Unkenntlichkeit zerteilt.

© SZ vom 07.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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