Rechtsextremismus:Richter mit AfD-Parteibuch hilft der NPD

Landgericht Dresden

Blick auf einen Richterstuhl im Landgericht Dresden

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Der Extremismusforscher Steffen Kailitz darf seine Darlegungen aus dem NPD-Verbotsverfahren nicht wiederholen.
  • Der Richter, der dies angeordnet hat, ist in der AfD aktiv.
  • Den Antrag, einen solchen Verbotsbeschluss im Wege der einstweiligen Verfügung zu fällen, hat der NPD-Anwalt Peter Richter gestellt.

Von Heribert Prantl

Der NPD ist es mit Hilfe eines Einzelrichters am Landgericht Dresden gelungen, einem NPD-kritischen Wissenschaftler den Mund zu verbieten. Bei dem Wissenschaftler handelt es sich um Steffen Kailitz, 47, einen renommierten Extremismusforscher des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts. Kailitz war im März im NPD-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als viel beachteter Sachverständiger aufgetreten, und hatte für ein Parteiverbot plädiert. Die Wiederholung seiner Darlegungen in Karlsruhe wurde ihm nun vom Richter in Dresden verboten.

Richter Jens Maier, 55, der dies angeordnet hat, ist in der AfD aktiv. Er wurde auf dem sächsischen Landesparteitag der AfD im Dezember 2013 zum Mitglied des Schiedsgerichts der Partei bestellt. Dieser Richter hat dem Wissenschaftler nun "wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung" durch Beschluss vom 10. Mai verboten, weiterhin zu verbreiten, dass die NPD "rassistisch motivierte Staatsverbrechen" plane und "acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben" wolle, "darunter mehrere Millionen deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund". Im Falle der Zuwiderhandlung droht der Richter dem Politologen "Ordnungsgeld bis zu 250 000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten" an, "oder sofortige Ordnungshaft, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren".

Den Antrag, einen solchen Verbotsbeschluss im Wege der einstweiligen Verfügung zu fällen, hat der NPD-Anwalt Peter Richter gestellt. Richter vertritt die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht. Kailitz hat die Darlegungen, die er vor dem höchsten deutschen Gericht gemacht hatte, auf Zeit Online vom 5. Mai wiederholt und detailliert. Darauf bezieht sich jetzt der Untersagungsantrag der NPD und der Untersagungsbeschluss des Gerichts. Damit wird dem Wissenschaftler beiläufig auch sein Gutachten vor dem Verfassungsgericht verboten. Der Beschluss des Gerichts in Dresden diskreditiert die wissenschaftlichen Tätigkeit des Politologen Kailitz, der seit mehr als zehn Jahren zur NPD forscht. Kailitz hatte bereits 2008 in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung das Programm der NPD seziert und darauf hingewiesen, dass diese Partei unter dem Stichwort "Ausländerrückführung" die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland plane.

Sein Gutachten über die NPD in der Karlsruher Verhandlung hatte die SZ am 4. März wie folgt zusammengefasst: Kailitz "brachte auf den Punkt, was die NPD-Programmatik, könnte sie die Macht übernehmen, politisch bedeuten würde ... Wer nicht germanischstämmig sei, sei in ihrer Sicht ein Fremdkörper. Wer so denkt (so Kailitz), muss Arier-Nachweise einführen."

Seine Bewertung wurde nun also Kailitz von einem Richter, der AfD-Funktionär ist, verboten. Jörg Nabert, Anwalt von Kailitz, hält das für einen "echten Justizskandal". Er hat Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Richter Maier wird sich jetzt vorhalten lassen müssen, sein Beschluss habe auch damit zu tun, dass Kailitz sich über die Arbeit der AfD im Sächsischen Landtag, die er im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auswertet, negativ geäußert hat: Sie habe "eine unterdurchschnittliche parlamentarische Leistung von dem gezeigt, was man normalerweise als Fraktion auf die Beine stellt", hatte Kailitz erklärt.

Richter Maier hat Vermutungen über solche Zusammenhänge zurückgewiesen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, ihm sei der Wissenschaftler Kailitz bisher kein Begriff gewesen. Auch über dessen Wirken als Sachverständiger vor dem Bundesverfassungsgericht habe er erst nachträglich erfahren. Maier verwahrte sich dagegen, mit der NPD in Verbindung gebracht zu werden. Als Mitglied des Landesschiedsgerichts der AfD halte er es im Gegenteil für seine Aufgabe, Neonazis als Mitglieder der AfD nicht zu dulden.

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