Pläne im Innenministerium:"Super-GAU für den Rechtsstaat"

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Die Pläne des Innenministeriums, die Befugnisse des Verfassungsschutzes auszuweiten, stoßen weiter auf Kritik. Die Union bemüht sich derweil um Klarstellung.

Pläne des Bundesinnenministeriums, die Befugnisse des Verfassungsschutzes massiv auszuweiten, stoßen auf heftigen politischen Widerstand. Es sei ein "Frontalangriff auf jedwede Privatsphäre", Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) überschreite die Grenzen des Rechtsstaats, sagte die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast.

Die stellvertretende Fraktionschefin der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sprach von einer "Horrorliste" aus Schäubles Ministerium. Der Verfassungsschutz dürfe nicht zur Polizei werden, das Trennungsgebot sei mit den Liberalen nicht verhandelbar.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, nannte die Ministeriumspläne "hochgefährlich für Rechtsstaat und Verfassung". Sie seien zudem europarechtswidrig, wenn der genetische Fingerabdruck als Standardmaßnahme vorgesehen wäre.

Der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann warf der Union vor, die Wähler über ihre wahren Absichten im Unklaren zu lassen. Schäuble überschreite die roten Linien einer rechtsstaatlichen Politik. Wolfgang Neskovic von den Linken sagte, Schäuble habe jede rechtsstaatliche Hemmung verloren.

Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) warnte vor einer "Geheimpolizei"; Straftaten zu ermitteln, sei Aufgabe der Polizei. Wenn "vermeintliche Fachleute aus dem Elfenbeinturm" des Ministeriums meinten, bei der Strafverfolgung gebe es Defizite, sollten sie die Polizei besser ausstatten, so der BDK.

Hanning und die "Stoffsammlung"

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet hatte, stellt ein im Innenministerium erstelltes Papier weitreichende Forderungen zur inneren Sicherheit. So soll der Verfassungsschutz Computer online durchsuchen dürfen. Bisher darf das nur das Bundeskriminalamt. Der Geheimdienst soll auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung zugreifen dürfen, was derzeit Polizei und Justiz vorbehalten ist. Das Konzept mit dem Titel "Vorbereitung Koalitionspapier" verlangt, dem Verfassungsschutz auch Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen zu erlauben.

Schäubles Staatssekretär August Hanning betonte, es sei üblich, dass zur Vorbereitung auf die nächste Legislaturperiode die Referatsleiter im Ministerium eine "Stoffsammlung" mit erledigten und noch offenen Punkten zusammenstellten. Eine Zusammenlegung von Polizei und Verfassungsschutz sei aber niemals Politik des Ministeriums, sagte Hanning. Auch Politiker der Union wiesen die Kritik an Schäuble zurück. Das Papier seiner Beamten sei nicht der politische Wille des Ministers.

Bosbach: Keine geheimen Pläne

So schloss der CDU/CSU-Fraktionsvize und Innenexperte Wolfgang Bosbach zusätzliche Kompetenzen für den Verfassungsschutz nach der Wahl aus.

"Neue Befugnisse wie Online-Durchsuchungen, Späh- oder Lauschangriffe für den Verfassungsschutz werden nach der Bundestagswahl keine Rolle spielen", sagte Bosbach der Neuen Osnabrücker Zeitung . Die Union habe keine geheimen Pläne für die Sicherheitspolitik.

Klare Regeln

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, mahnte in Deutschlandradio Kultur, der Informationsaustausch zwischen Polizei und Verfassungsschutz müsse "klar rechtlich geregelt" sein. Die Polizei dürfe in Bürgerrechte eingreifen. Das dürfe der Verfassungsschutz nicht. "Das muss auch so bleiben", betonte Freiberg.

Auch bei der Deutschen Polizeigewerkschaft sorgte das Papier für Kritik. "Wenn der Verfassungsschutz solche Befugnisse bekommen soll, wäre dies ein Super-GAU für den Rechtsstaat", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, der Berliner Zeitung. Polizei und Verfassungsschutz gehörten nicht zusammen. "Das Papier gehört in den Mülleimer", meinte Wendt.

© SZ/sueddeutsche.de/AP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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