Parteitag der Grünen in Berlin:Alle gegen Kretschmann

Parteitag der Grünen in Berlin: Da lang: Claudia Roth, Jürgen Trittin, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckhardt zeigen sich auf dem Grünen-Parteitag in Berlin geschlossen.

Da lang: Claudia Roth, Jürgen Trittin, Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckhardt zeigen sich auf dem Grünen-Parteitag in Berlin geschlossen. 

(Foto: AFP)

Zurückhaltung in der Steuerpolitik hatte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Kretschmann von seiner Partei gefordert. Damit steht er bei den Grünen aber alleine da. Auch beim Parteitag schlägt ihm Kritik entgegen.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat mit seiner Forderung nach Zurückhaltung in der Steuerpolitik heftige Kritik in der eigenen Partei ausgelöst. Vor allem Vertreter des linken Flügels wiesen Kretschmanns Mahnung, Bürger und Wirtschaft nicht zu überfordern, entschieden zurück.

Auch die Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin verteidigten zum Auftakt des Bundesparteitags am Freitagabend in Berlin den bisherigen Entwurf für das Wahlprogramm und riefen ihre Partei dazu auf, angesichts der Angriffe von außen gelassen zu bleiben.

"Bei Grün gewinnen alle, die weniger als 60 000 Euro verdienen", sagte Trittin, der die Steuerpläne maßgeblich geprägt hat. "So entlasten wir 90 Prozent der Einkommensteuerzahler in Deutschland." Wer jährlich 80 000 Euro oder mehr zu versteuern hat, soll nach den Plänen der Grünen einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent zahlen. Derzeit liegt er bei 42 Prozent und greift von knapp 53 000 Euro an.

"Sie werden uns schlecht machen"

Mit Blick auf die Debatte über Belastungen der Wirtschaft sagte Trittin: "Der Lärm einiger Lobbygruppen belegt: Es ist Wahlkampf." Ähnlich äußerte sich Göring-Eckardt, die wie Kretschmann dem Realo-Lager zugerechnet wird. "Unsere Gegner da draußen werden jeden Tag neue Versuche starten, uns schlechtzumachen", sagte sie in ihrer Rede. "Sie werden uns schlecht machen und unser wirklich durchgerechnetes Programm." Die Grünen müssten damit rechnen, in den nächsten Monaten als wirtschaftsfeindlich "denunziert zu werden".

Kretschmann hatte der SZ gesagt, er halte "eine zu hohe Gesamtbelastung" für problematisch. "Ich glaube nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei zentrale Steuern erhöhen kann." Im Programmentwurf ist neben der Erhöhung des Spitzensteuersatzes eine zeitlich befristete Vermögensabgabe vorgesehen. Zudem verfolgen die Grünen das Ziel einer dauerhaften Vermögensteuer, wollen das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer erhöhen und die Abgeltungsteuer abschaffen, wodurch Kapitalerträge wieder mit dem individuellen Steuersatz belastet würden statt pauschal mit 25 Prozent.

Der Regierungschef hatte gewarnt, man dürfe der Wirtschaft "keine unzumutbaren Belastungen" aufbürden. "Wir Grünen hier wissen, warum Baden-Württemberg so stark ist. Ich werbe dafür, dass das alle in meiner Partei verstehen." Wahlen gewinne man "mit Maß und Mitte".

"Das schadet uns im Wahlkampf"

Der nordrhein-westfälische Grünen-Landeschef Sven Lehmann bezeichnete im Internetdienst Twitter Kretschmanns Aussagen als "inhaltlich falsch", "unsolidarisch" und "wahlkampfschädigend". Auch die Parteilinke Gesine Agena, Mitglied im 16-köpfigen Parteirat, griff den Ministerpräsidenten an: Man habe "in den letzten zwei, drei Jahren nichts anderes gemacht, als unsere Vorschläge durchzurechnen", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

"Deshalb finde ich es etwas seltsam, dass jetzt kurz vor dem Parteitag über die Presse mitgeteilt wird, dass unser Programm problematisch sei. Das schadet uns im Wahlkampf, weil so der Eindruck erweckt wird, wir wüssten nicht, was wir da beschließen." Sie frage sich, "was eigentlich diejenigen, die das jetzt plötzlich kritisieren, in den letzten Jahren gemacht haben".

"Seine Vorwürfe sind haltlos"

Der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler empfahl Kretschmann "die Lektüre des Wahlprogramms, denn seine Vorwürfe sind haltlos". Der Entwurf entlaste "breite Bevölkerungsschichten", nur "Großverdiener, also die oberen fünf Prozent", würden belastet, so der Parteilinke. "Wenn Winfried Kretschmann Kritik am Programm hat, hätte er als Mitglied des Kreisverbands Esslingen ja auch einen Änderungsantrag stellen können."

Statt der Konkurrenz "Steilvorlagen zu liefern", solle man nun "gemeinsam Wahlkampf machen", sagte Kindler am Rande des Parteitags. Die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Katja Dörner sagte in einem Redebeitrag, man müsse verhindern, dass der Programmentwurf "kaputtgeredet" werde.

Die Delegierten lehnten zudem einen Antrag ab, die Koalitionsaussage zugunsten der SPD zu lockern. Die Antragsteller vom Realo-Flügel hatten gefordert, einen entsprechenden Satz aus dem Entwurf zu streichen: "Wir kämpfen in diesem Bundestagswahlkampf für starke Grüne in einer Regierungskoalition mit der SPD, weil wir in diesem Regierungsbündnis die besten Chancen sehen, den grünen Wandel umzusetzen." Das Bekenntnis zur SPD findet sich allerdings ohnehin noch an weiteren Stellen des Programms.

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