Panama Papers:Tod einer unermüdlichen Journalistin

Maltese investigative journalist Daphne Caruana Galizia poses outside the Libyan Embassy in Valletta

Die maltesische Bloggerin Daphne Caruana Galizia hatte mit ihren unermüdlichen Recherchen die Mächtigen des Landes gegen sich aufgebracht.

(Foto: Darrin Zammit Lupi/Reuters)
  • Die maltesische Bloggerin Daphne Caruana Galizia legte sich oft mit den Mächtigsten im Lande an.
  • Ohne selbst Zugang zu den geleakten Dokumenten zu haben, trieb sie Recherchen zur Panama-Papers-Affäre auf Malta weiter.
  • In den letzten zwei Wochen vor ihrem Tod wurden Drohungen gegen seine Mutter konkreter, berichtet ihr Sohn.

Von Bastian Obermayer

Mut und Unermüdlichkeit. Wer über Daphne Caruana Galizia schreibt, die getötete Bloggerin aus Malta, findet diese beiden Eigenschaften bei ihr in einer seltenen Ausprägung. Sie hat sich auf ihrem Blog mit so ziemlich jedem angelegt, der in Malta etwas zu sagen hat. Wenn sie einmal ein Thema für wichtig befand, dann ließ sie nicht locker. Keine Drohungen, keine Verleumdungsklagen, keine Friedensangebote konnten sie zum Schweigen bringen. Wenn Daphne Caruana Galizia der Meinung war, dass etwas gesagt, oder vielmehr: aufgeschrieben werden musste, dann schrieb sie es auf. Ihr Blog gehörte zu den meistgelesenen Webseiten in Malta. Jetzt sieht es so aus, als hätten ihr Mut und ihre Unermüdlichkeit sie das Leben gekostet.

Noch am Montagnachmittag hatte sie einen Eintrag über die Folgen der Panama-Papers-Affäre auf Malta verfasst. Darin bezeichnete sie zentrale Figuren als "Betrüger". Obwohl sie nicht selbst Teil des Panama-Papers-Team war und keinen Zugang zu geleakten Dokumenten hatte, recherchierte und berichtete sie unerlässlich über die Affäre, die in Malta viele Monate die Politik dominierte und am Ende sogar zu Neuwahlen führte.

Daphne Caruana Galizia hatte ihre eigenen Quellen, die ihr vertrauliche Informationen zuspielten. Oft zu exakt jenen Vorgängen, mit denen sich auch die Panama Papers beschäftigten. So trieb sie, als Ein-Frau-Team sozusagen, die Recherchen weiter und weiter voran. Besonders spektakulär: Eine Whistleblowerin soll ihr Papiere gezeigt haben, denen zufolge die Frau des Premierministers Eigentümerin einer Firma in Panama sei. Angeblich bekam die Firma Millionen aus Aserbaidschan - von der Tochter des autoritären Präsidenten dort. Wie gesagt: Angeblich. Belegen konnte Daphne Caruana Galizia all das nicht. Der Premierminister bestritt alle Vorwürfe und sprach von "der größten Lüge in der politischen Geschichte Maltas".

Am Ende waren etliche Verleumdungsklagen gegen sie anhängig

Es war nicht der einzige Fall, in dem Politiker und andere öffentliche Akteure gegen die Bloggerin vorgingen. Am Ende waren etliche Verleumdungsklagen gegen sie anhängig, die sie viel Geld kosteten. Sogar ihr Bankkonto wurde eingefroren - damit den Klägern mögliche Zahlungen nicht entgingen. Das eingefrorene Konto war, so erzählt es ihr Sohn Matthew Caruana Galizia der Süddeutschen Zeitung, auch der Grund, warum sie am Tag ihres Todes überhaupt das Haus verließ: "Sie konnte den Mietwagen nicht online bezahlen, weil ihr Konto eingefroren war." Also machte sich die Journalistin selbst auf den Weg, mit einem Scheck vom Konto ihres Mannes. Sie stieg in den Mietwagen, fuhr los - und wenige Augenblicke später detonierte die Autobombe.

Ihr Sohn, der selbst als Journalist arbeitet, hörte die Explosion und rannte nach draußen, auf das Feld, wo das brennende Autorwrack lag. Die Szene, die er beschreibt, ist der Horror: Erfolglos versucht er, eine der Autotüren zu öffnen, zwei Polizisten stehen mit einem einzelnen Feuerlöscher daneben und halten auf das Wrack. Die Explosion hat das Auto komplett zerrissen, das Opfer ebenso. Der Sohn schreit die Polizisten an, die seiner Mutter nicht mehr helfen können. "Am Boden lagen überall Körperteile verteilt", wird er später der SZ sagen, "ich habe aufgehört das Feuer löschen zu wollen, als ich ein Bein meiner Mutter am Straßenrand sah."

Drohungen habe seine Mutter seit langem erhalten, sagt ihr Sohn, viele Politiker hätten sie öffentlich bedroht. Als Beispiel schickt er den Link zu einem Beitrag auf Daphne Caruana Galizias Blog. Darin wird der Wirtschaftsminister mit dem Satz zitiert: "Wir werden eine Axt ergreifen gegen die, die uns mit Messern angreifen."

In den letzten Wochen vor dem Tod seiner Mutter schienen die Drohungen gegen sie konkreter zu werden - vor gut zwei Wochen meldete sie sich deswegen bei der Polizei. Warum genau, weiß auch der Sohn nicht. "Sie hat es uns nicht gesagt. Sie hätte nicht gewollt, dass wir uns Sorgen machen."

Für ihn ist es keine Frage, wer schuld trägt an diesem Mord: die Politikmafia des Landes. Das sind die Kategorien, in denen dort jetzt gedacht und gesprochen wird: Mafia, Korruption, organisiertes Verbrechen. Es waren auch die Kategorien, in die Daphne Caruana Galizia die Politiker einordnete, über die sie schrieb, darunter auch der Premierminister und seine engsten Vertrauten.

Vor diesem widerlichen und feigen Anschlag hatte man ihre Anschuldigungen nicht immer ernst genommen. Aber das war vor dem Mord. Danach ist alles anders. Wohlgemerkt: Es ist noch nicht gesagt, dass tatsächlich die Panama-Papers-Affäre der Grund für den Tod Daphne Caruana Galizias war. Sie hat sich mit ihrer Art so viele Feinde gemacht, dass das Motiv vollkommen unklar ist. Aber die maltesischen Behörden müssen jetzt beweisen, dass nichts vertuscht und keine Spur ignoriert wird - egal wohin sie führt, selbst wenn es mitten hinein ins maltesische Establishment ginge. Dieser Mord muss aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wenn das nicht gelingt, wenn auch nur der Hauch eines Zweifels bleibt, ob nicht doch ranghohe Politiker für diesen Mord verantwortlich sind, wäre das eine Katastrophe - für Daphne Caruana Galizias Familie, für Malta, für jeden recherchierenden Journalisten.

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