Opfer des Klimawandels:Südsee-Inseln gehen zuerst unter

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Die Bewohner von Tuvalu und Kiribati, den Malediven und den Marshall-Inseln könnten die ersten Opfer des Klimawandels sein. In der westlichen Welt stossen mit ihren Hilfe-Appellen auf taube Ohren - noch.

Wolfgang Roth

"Was wird die Geschichte von uns sagen, wenn wir Beschlüsse fällen, die ganze Länder verschwinden lassen? Das hat es im UN-System noch nie gegeben."

Der Appell des Delegierten aus dem Südpazifik-Eiland Tuvalu wurde zwar gehört, aber nicht erhört auf der Klimakonferenz im vergangenen November in Nairobi. Wie bei den früheren Treffen üblich, suchen die in der Allianz kleiner Insel- und Küstenstaaten (AOSIS) zusammengeschlossenen Nationen so verzweifelt wie vergeblich nach Bündnispartnern für eine entschlossenere Politik gegen den Klimawandel.

Neben den dichtbesiedelten Flussmündungen Südostasiens sind die kleinen, flachen Inseln im Pazifik am stärksten vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht. Die Korallen-Atolle Tuvalus, schätzen die den Vereinten Nationen zuarbeitenden Wissenschaftler, könnten schon in 50 Jahren vollständig verschwunden sein.

Anders als in Europa und Nordamerika fehlen in diesem Teil der Erde die Mittel, sich gegen steigenden Wasserstand und Sturmfluten zu schützen. Mit gewaltigen Investitionen hatten die Niederländer nach der verheerenden Überschwemmung im Jahr 1953 neue Sperrwerke und Deiche errichtet. Hamburg war 1962 überflutet worden und hat seitdem die Hochwasserschutzlinie auf 100 Kilometer Länge und acht Meter Höhe über Normalnull ausgedehnt.

Den Bewohnern von Tuvalu und Kiribati, den Malediven und den Marshall-Inseln bleibt, wenn es zum Äußersten kommt, nur die Flucht. Vorsorglich hat die Regierung von Tuvalu im vergangenen Jahr schon Asyl für alle seine Menschen in Australien und Neuseeland beantragt.

Vergebliche Hilferufe

Das wurde - ebenso vorsorglich - abgelehnt; nur Neuseeland ist bereit, jährlich ein kleines Kontingent aufzunehmen. Es geht dabei um etwas mehr als 11000 Menschen, die wohl in den kommenden Jahrzehnten ihre Heimat verlieren werden - ein winziger Teil der Massen, die schon auf der Flucht sind oder es bald sein werden.

Ivo de Boer, der Leiter des UN-Klimabüros in Bonn, berichtet von Schätzungen, nach denen die Folgen des Klimawandels schon im Jahr 2010 etwa 50 Millionen Umweltflüchtlinge hervorbringen werden. Sie verlassen ihr Land wegen zunehmender Dürreperioden oder der Verwüstungen, die Wirbelstürme oder Sturmfluten anrichten.

Sie haben kein fruchtbares Ackerland mehr, wenn der steigende Meeresspiegel die Küstenlinie angreift und die Böden versalzt. Sie verlieren - wie die Einwohner der Malediven - ihre wichtigste Einnahmequelle, wenn die Touristen wegen der absterbenden Korallenbänke fernbleiben.

Vielleicht finden Länder wie Tuvalu erst dann Gehör, wenn die Industriestaaten nicht nur die direkten Folgen des Klimawandels für ihr eigenes Gebiet fürchten, sondern auch erkennen, dass sie zwangsläufig mit immer mehr Flüchtlingen konfrontiert sein werden. Wer nichts mehr zu verlieren hat, lässt sich auch nicht durch rigide Einwanderungsgesetze abschrecken.

© SZ vom 18.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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