NS-Zeit:Auschwitz darf nicht "polnisches Vernichtungslager" heißen

NS-Zeit: Der Eingang zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen heute.

Der Eingang zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in Polen heute.

(Foto: AP)
  • Wer Auschwitz in Polen als "polnisches Vernichtungslager" bezeichnet, muss künftig im schlimmsten Fall mit einer Haftstrafe rechnen.
  • Das neue Gesetz soll eine Wortwahl durchsetzen, die die Opferrolle Polens im Zweiten Weltkrieg verdeutlicht.
  • Kritiker befürchten, dass damit auch die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen von Polen unterdrückt werden könnte.

Die Bezeichnung von Auschwitz und anderen von den Nationalsozialisten eingerichteten Konzentrationslagern (KZ) als "polnische Vernichtungslager" wird in Polen künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Die Regierung in Warschau will mit dem geplanten Gesetz eine Wortwahl erreichen, die die Opferrolle Polens im Zweiten Weltkrieg deutlich macht. Die Vorlage wurde am Dienstag von der Regierung angenommen und dürfte ohne Probleme das Parlament passieren.

Vernichtungslager wie Auschwitz und Treblinka wurden während der Zeit des Nationalsozialismus von Deutschland im besetzten Polen betrieben. Mit ihrer Bezeichnung als "polnische Vernichtungslager" wird nach Ansicht von Regierung und Historikern ein falsches Geschichtsbild weitergegeben. Viele ausländische Medien und selbst US-Präsident Barack Obama hatten in der Vergangenheit bereits fälschlicherweise von "polnischen Vernichtungslagern" gesprochen.

Gesetz soll "Wahrheit und Würde des polnischen Staates" verteidigen

Die polnische Regierung befürchtet, dass mit einer solchen Wortwahl vor allem jüngere Generationen auf der ganzen Welt annehmen könnten, dass Polen eine aktive Rolle beim Betrieb der deutschen Konzentrationslager gespielt haben könnte. Rund 5,5 Millionen Polen wurden während des Krieges getötet. Knapp drei Millionen davon waren Juden.

"Es waren weder unsere Mütter noch unsere Väter, die für die Verbrechen des Holocaust verantwortlich waren, die von deutschen und Nazi-Verbrechern auf besetztem polnischen Territorium begangen wurden", sagte Justizminister Zbigniew Ziobro. "Unsere Verantwortung ist es, die Wahrheit und Würde des polnischen Staates und der polnischen Nation sowie unserer Väter, unserer Mütter und Großeltern zu verteidigen."

Wie in Deutschland ist es in Polen bereits eine Straftat, den Holocaust zu leugnen. Das neue Gesetz sehen viele Polen als nötigen Zusatz. Experten gehen allerdings nicht davon aus, dass die polnische Justiz auch Personen im Ausland wird verfolgen können, die vermutlich am ehesten die falsche Bezeichnung verwenden.

Mehr als 6000 Polen wurden für die Rettung von Juden gewürdigt

Kritiker befürchten aber, dass damit auch die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen von Polen unterdrückt werden könnte. Der polnische Staat kollaborierte nicht mit Nazideutschland, einige Polen töteten aber sehr wohl Juden oder lieferten sie den Besatzern aus. Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft kam es in Polen zu Pogromen gegen Juden, 1946 wurden in Kielce 40 polnische Juden ermordet. Gleichzeitig wurden aber auch mehr als 6000 Polen vom Holocaust-Museum Yad Vashem für die Rettung von Juden gewürdigt, mehr als in jedem anderen Land.

Die Vorlage für das neue Gesetz war mehrere Monate lang diskutiert worden und sah zuvor sogar Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren vor. Haft soll aber nur in besonders schweren Fällen von Verleumdung verhängt werden, wie es aus dem Justizministerium hieß. Jenen, die unabsichtlich die falsche Wortwahl verwenden, drohen Geldstrafen.

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