Notopfer Griechenland:Angela Merkel redet von Zukunft

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Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigt vor dem Bundestag die geplanten Notkredite für das de facto überschuldete Griechenland. Zu lange seien Probleme nicht beim Namen genannt worden, sagt sie - und kritisiert indirekt Vorgänger Gerhard Schröder.

Von wegen no future in der Euro-Zone: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die geplanten Milliarden-Hilfen mit großem Pathos für Griechenland verteidigt. Es gehe um nicht mehr und nicht weniger "als um die Zukunft Europas und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa", sagte die Kanzlerin in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Sieht Europa am Scheideweg: Kanzlerin Angela Merkel während ihrer Regierungserklärung (Foto: Foto: ddp)

Die Politik müsse sich dem Ernst der Lage stellen. Grundlage für die deutschen Hilfskredite sei eine Notsituation Griechenlands. "Für diese Kredite bürgt in letzter Konsequenz der Steuerzahler, also wir alle", erklärte die CDU-Chefin. Die Hilfen seien von enormer Tragweite für Deutschland und Europa.

"Europa steht am Scheideweg", so Merkel. Zu lange seien Probleme nicht direkt beim Namen genannt und nicht konsequent angegangen worden. "Europa schaut heute auf Deutschland. Ohne uns, gegen uns, wird es keine Entscheidung geben." Sie sei fest entschlossen, dass Deutschland dieser Verantwortung nachkomme.

Merkel erklärte, beim Beitritt Griechenlands zur Euro-Zone im Jahr 2000 habe es Warnungen zuhauf gegeben, dass das Land schwerwiegende Probleme habe. Indirekt kritisierte sie damit die rot-grüne Regierung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). Jetzt stehe die Europäische Union am Scheideweg.

Ein guter Europäer sei nicht unbedingt der, der schnell helfe, sondern der die EU-Verträge und nationales Recht achte. Merkel war eine zu zögerliche Haltung bei den Athen-Hilfen vorgeworfen worden. Nun müsse gehandelt werden, sagte die Kanzlerin. "Ich bin fest entschlossen, dass Deutschland dieser Verantwortung gerecht wird."

Die Regierungschefin bekräftigte den Willen, als Lehre aus der Griechenland-Krise die europäischen Verträge zu verändern. Notorischen Defizit-Sündern sollte künftig vorübergehend das Stimmrecht entzogen werden. Auch könnte es zu Kürzungen bei EU-Strukturhilfen und Agrargeldern kommen. Im äußersten Notfall sei ein Verfahren für eine geordnete Insolvenz von Mitgliedstaaten möglich. Sollten Vertragsveränderungen unumgänglich sein, werde sie sich mit aller Kraft dafür einsetzen - egal wie mühselig und langwierig diese seien, betonte Merkel.

Merkel lehnt Finanztransaktionssteuer ab

Merkel bezeichnete die Hilfen für Griechenland als alternativlos, weil sonst eine neue Finanzkrise mit Wohlstandsverlusten drohe. Ursache der griechischen Krise "waren nicht alleine hemmungslose Spekulationen", sagte Merkel. Griechenland habe vielmehr zu hohe Schulden aufgetürmt.

Merkel lehnte die Oppositionsforderung nach Einführung einer sogenannten Finanztransaktionssteuer ab. Diese Idee werde auch von Internationalen Währungsfonds (IWF) verworfen, sagte die Bundeskanzlerin. Der IWF empfehle vielmehr, die Gewinne der Banken und die Gehälter ihrer Manager zu besteuern. "Wir tun gut daran, den Empfehlungen eine große Beachtung zu schenken."

Trotz der Griechenland-Hilfen des deutschen Finanzsektors halte die Regierung an der geplanten Bankenabgabe fest. Wenn sich die Banken davon als Gegenleistung etwa den Verzicht auf eine Bankenabgabe erhofften, "dann hätten sie sich gründlich getäuscht", sagte Merkel. Vielmehr sei eine stärkere Regulierung von Derivaten und Hedgefonds notwendig. "Das Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten muss wiederhergestellt werden", sagte Merkel.

Steinmeier wittert "nackte Kreditermächtigung"

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ließ in seiner Rede die Zustimmung zur den milliardenschweren Notkrediten für Griechenland offen. "Das war keine Werbung für eine breite Zustimmung hier im Parlament", sagte Steinmeier zu Merkels Regierungserklärung. "Das ist keine Antwortung auf die Bedrohung, erst recht keine angemessene."

Es wäre gut, wenn die Parteien bei einer Entscheidung von solcher Tragweite "nicht Galaxien und Lichtjahre" voneinander entfernt wären, sagte Steinmeier. Er schließe eine gemeinsame Entscheidung am Freitag nicht aus. Aber: Seine Fraktion werde "einer nackten Kreditermächtigung" nicht zustimmen, sagte Steinmeier.

Er warf der Kanzlerin und Vize-Kanzler Guido Westerwelle mangelnde Führung in der Griechenland-Krise vor. Die Bundesregierung habe zu spät und zu zögerlich gehandelt und damit Deutschland viel Ansehen in Europa verspielt.

FDP wirft SPD Populismus vor

Die Kanzlerin habe nach dem Motto "Verschieben, Verschleiern, Schönreden" gehandelt, sagte Steinmeier. "Sie haben wochenlang versucht, sich rauszuhalten", hielt Steinmeier der Regierungschefin vor. Eine gute Regierung müsse als "Brandschutz" funktionieren. "Diese Regierung ist kein Brandschutz. Sie haben die Dinge treiben lassen und rufen jetzt nach der Feuerwehr, wo es licherloh brennt".

Die Grünen machen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Bedingung für ihre Zustimmung zum Rettungspaket für Griechenland. "Wir kommen hier nicht überein, wenn Sie diesen Schritt nicht gehen", sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi kündigte die Ablehnung des Hilfspakets an. Er verlangte ein Verbot der Hedge-Fonds. Griechenland müsse auf Waffenimporte verzichten.

Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger warf der SPD Populismus vor. Die Europäische Union dürfe nicht zu einer "Transferunion" werden.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder verlangte ebenso wie Merkel neue Regeln in der EU für eine geordnete Insolvenz für Euro-Staaten, die von Zahlungsunfähigkeit bedroht sind.

Nach den Reden folgte die erste Lesung des Gesetzentwurfs, der die Rettungs-Hilfe freischalten soll. Merkels Kabinett hatte am Montag grünes Licht für Kredite von 22,4 Milliarden Euro gegeben, die sich auf drei Jahre verteilen. In diesem Jahr sollen 8,4 Milliarden Euro fließen, ausgezahlt von der staatlichen Bank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Bis Freitag soll das Paket Bundestag und Bundesrat passiert haben.

Die Opposition hat noch Vorbehalte. Eurokritiker wollen sogar Verfassungsklage einreichen. Insgesamt braucht Griechenland nach aktuellen Prognosen 110 Milliarden Euro an Nothilfe. Der Anteil der Eurogruppe daran beträgt rund 80 Milliarden Euro, der Internationale Währungsfonds (IMF) übernimmt 30 Milliarden Euro.

Ein EU-Gipfel am Freitag in Brüssel soll die Hilfe beschließen.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/Reuters/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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