Nobelpreis für Barack Obama:Mehr Krieg für den Frieden

Es war in Teilen eine nahezu ärgerliche Rede: Ausgerechnet bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises rechtfertigt der US-Präsident den Krieg.

Kurt Kister

Barack Obama hat in Oslo eine in Teilen nahezu ärgerliche Rede gehalten. Ausgerechnet bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises rechtfertigte Obama den Krieg. Er philosophierte über die Bedingungen und Umstände eines gerechten Krieges (just war).

Nobelpreis für Barack Obama: Der US-Präsident reiht sich ein: Barack Obama vor den Bildern der bisherigen Friedensnobelpreisträgern

Der US-Präsident reiht sich ein: Barack Obama vor den Bildern der bisherigen Friedensnobelpreisträgern

(Foto: Foto: AP)

Selbst jener kürzere Teil der Rede, der dem Frieden gewidmet war, setzte sich in erster Linie damit auseinander, was den Frieden in der Welt verhindert, und nicht so sehr damit, wie man Frieden schafft.

Ein Friedensnobelpreisträger, der den Krieg verteidigt, wirkt so sonderbar wie die Literaturpreisträgerin Herta Müller wirken würde, wenn sie in ihrer Nobelpreis-Rede in Stockholm Verständnis und etwas Sympathie für die Securitate geäußert hätte. Natürlich tat Müller das nicht. Sie wenigstens machte nicht den Obama.

Es gibt zwei bedeutende Argumente gegen die Entscheidung der Osloer Jury. Zum einen ist Obama immer noch, wenn auch immer weniger, ein Präsident der Hoffnungen und nicht der bereits erzielten Erfolge. Seine Worte weisen in eine bessere Welt, seine bisherige Bilanz dagegen ist sehr diesseitig. Der Nobelpreis also ist mehr Ansporn als Belohnung; außerdem bindet er die Gefühle vieler Europäer zu einem Anti-Bush-Preis zusammen.

Aber zweitens ist auch Obama ein Kriegspräsident. Er hat Irak und Afghanistan von George W. Bush geerbt. Am Hindukusch verringert Obama das Engagement nicht, sondern er setzt mit Truppenverstärkungen auf Eskalation.

Mit seiner Rede versuchte Obama den Gegensatz zwischen Kriegspräsident und Friedenspreisträger zu verringern. Das gelang ihm nicht. Er beschrieb den Krieg als von Anbeginn zur Menschheit gehörend, gewissermaßen als ein Phänomen, das man zwar einhegen kann, mit dem man sich aber abzufinden hat.

Dieses Sich-Abfinden sieht Obama als Prozess der Entwicklung und Einhaltung eines Regelsatzes für den Krieg und dessen Evolution zum "gerechten Krieg".

Obamas Redenschreiber vermischten munter die abendländische Tradition vom bellum iustum mit dem neuweltlich-amerikanischen Missionarsbewusstsein. Wie seine Amtsvorgänger sprach auch Obama von dem Bösen in der Welt und assoziierte Hitler sowie Bin Laden in zwei Atemzügen mit eben jenem Bösen. Wo ein Politiker Ähnlichkeiten wittert, ist die Differenzierung sein Feind.

Im Video: In den USA protestieren Demonstranten gegen die Vergabe des Friedensnobelpreises an Präsident Obama. Weitere Videos finden Sie hier

Nun ist es prinzipiell ja erstrebenswert, dass sich ein US-Präsident Gedanken darüber macht, ob und wie Krieg zu rechtfertigen ist, speziell wenn er Kriege führt.

Und es wäre verwunderlich, käme er zu einem anderen Schluss, als dass "Krieg manchmal nötig ist" (Obama in Oslo).

Noch jeder Präsident, Premier oder Kanzler ist, war er erst ein Weilchen im Amt, zum Teilzeit-Clausewitzianer geworden. Allerdings hat das Osloer Nobelpreis-Komitee den meisten von ihnen, sich selbst und uns allen die Peinlichkeit erspart, dass der Krieg im Angesicht des Friedenspreises mindestens rationalisiert worden ist. Es blieb Barack Obama vorbehalten, das zu tun.

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