Nahost-Konflikt:Deutschlands falsche Bescheidenheit in Israel

Nahost-Konflikt: Angela Merkel mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt.

Angela Merkel mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt.

(Foto: AFP)

Die Bundesrepublik genießt bei Israelis und Palästinensern größtes Ansehen. Trotzdem scheut Berlin jeden Versuch, sich vermittelnd einzusetzen. Das ist verständlich - aber nicht zeitgemäß.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

An deutlichen Worten zum Nahostkonflikt hat es Angela Merkel am Freitag nicht fehlen lassen. Sie hat Israels Siedlungsbau kritisiert und von "sehr besorgniserregenden Entwicklungen" gesprochen. Sie hat die Zwei-Staaten-Lösung als einzig vernünftige Alternative gepriesen und den engen Verbündeten Israel gemahnt, den derzeit eingeschlagenen Weg mit immer neuen Siedlungen aufzugeben. Andernfalls sei das Ziel seiner Staatsgründer, einen jüdischen und demokratischen Staat zu errichten, nicht mehr lange aufrecht zu erhalten.

Auch für die Palästinenser hatte Merkel strenge Worte parat. Israel in den Vereinten Nationen an den Pranger zu stellen, sei nicht der richtige Weg, um neues Vertrauen zu schaffen. Die Kanzlerin war deutlich, ohne einer Seite die alleinige Schuld zuzuweisen. Das war gut, es war richtig, es war eine angemessene Botschaft.

Umso deutlicher klafft neben all den guten Worten eine Lücke: Es fehlen Taten. Es fehlt der Versuch, an dem hochgefährlichen Stillstand bei der Friedenssuche auch selbst etwas zu ändern. Obwohl die Krise immer größer wird und damit auch die Gefahr einer neuen Explosion der Gewalt, gibt es seit Monaten niemanden, der sich bemüht, beide Seiten zum Nachdenken zu bewegen. Das ist angesichts der dramatisch verfahrenen Situation verständlich. Aber es ist wegen der dramatisch steigenden Spannungen auch brandgefährlich.

Eine Initiative starten - das scheuen sie alle

Was machen Amerikaner, Russen, Europäer? Was die Vereinten Nationen? Sie beklagen den Zustand; sie senken bedauernd die Köpfe und sorgen sich um den Frieden. Nur eine Initiative starten, mit Besuchen in Jerusalem und Ramallah, in Amman, Kairo, Moskau und Washington, das scheuen sie alle. Statt mit Geduld und Zähigkeit für Verständigung zu werben und dabei in beiden Gesellschaften - der israelischen wie der palästinensischen -für Ausgleich zu werben, haben sich alle mit dem Leben an der Seitenlinie eingerichtet. Verbunden mit dem Hinweis, am Ende müssten es ja eh die beiden Völker selbst richten.

Inzwischen ähnelt dieses Verhalten immer stärker dem Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung. Zu bedrohlich ist die Lage geworden, zu groß ist das Ungleichgewicht zwischen beiden Seiten und zu offensichtlich die Gefahr auch für Israel, das sich derzeit so stark fühlt. Wenn Merkel nur ein klein wenig Recht hat mit ihrer Sorge, dass Israel inzwischen das aufs Spiel setzt, was es seit seiner Gründung ausmacht, nämlich ein jüdischer und demokratischer Staat zu sein, dann wird es Zeit, nicht nur wohlmeinende Worte zu setzen. Dann wird es Zeit zu handeln. Zeit für die Bundesregierung, sich als Vermittler zu engagieren.

Das geht nicht? Wegen der deutschen Geschichte und der besonderen Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Staat? Diese Sicht auf die Dinge ist verständlich. Und natürlich könnte Deutschland den Israelis niemals vorschreiben, wie ein Kompromiss am Ende im Detail aussieht. Aber die Hände deshalb in den Schoß zu legen, ist nicht die einzige Möglichkeit.

Schatten auf dem Kanzleramt

Wer nach Israel kommt, um zu werben; wer kommt, um Sorgen auszudrücken und die Gefahren des Stillstands offenzulegen, der zwingt zu nichts und gibt doch zu denken. Er zeigt seine Sympathie wie seine Befürchtungen, und das kann er ruhig tun, um auf beiden Seiten zum Nachdenken anzuregen. Die Gegner eines Kompromisses würde das ärgern, deshalb würden sie es offen oder verdeckt auch zu stören, ja zu zerstören versuchen. Aber den Befürwortern, denen, die die Hoffnung nicht aufgeben wollen, würde es in schweren Zeiten neue Nahrung geben.

Wer mit einer Vermittlungsinitiative den eigenen Ruhm mehren will, sollte es bleiben lassen. Aber wer Freunden helfen möchte, könnte mit einer Initiative mehr bewegen, als viele es heute für möglich halten.

Aus diesem Grund gehört das Kapitel Nahostkonflikt nicht zu den großen und lobenswerten dieser schwarz-roten Bundesregierung. Es wirft eher einen Schatten auf jene im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt, die stets darauf verweisen, dass es sowieso nichts bringen würde. Es mag sein, dass es in der Vergangenheit vor allem die Amerikaner waren, die derlei Versuche unternommen haben. Aber das ist kein Argument für Berlin, es bleiben zu lassen.

Fischers raffinierter Satz

Tatsächlich ist Deutschland von allen Staaten, die derzeit für eine solche Aufgabe in Frage kämen, das Land, das unter Israelis und Palästinensern mit Abstand das höchste Ansehen genießt. Und das größte Vertrauen in seine Redlichkeit, weder von den einen noch von den anderen zu viel zu verlangen. Wer Historisches bemühen wollte, sollte es an dieser Stelle tun: Noch nie ist Berlin besser in der Lage gewesen, seinen Ruf in beiden Bevölkerungen für eine Vermittlungsaktion und ein Werben für Frieden zu nutzen.

Joschka Fischer hat vor Jahren bei einem Auftritt in Haifa einen bemerkenswerten Satz geprägt. Er sagte in der israelischen Hafenstadt, um den Konflikt zu lösen, sei es wichtig, dass Israel endlich "das Unmögliche denken und das Unmögliche dann auch versuchen" möge. Es war ein raffinierter Satz. Er war nicht falsch. Wirkliche Größe aber entfaltet ein solcher Satz aber erst, wenn man ihn an sich selbst, also die eigene Regierung richtet.

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