Letzte TV-Debatte:Commander-in-Chief Obama erteilt Romney eine Lektion

In ihrem letzten Rededuell vor der Wahl am 6. November streiten Barack Obama und Mitt Romney über Amerikas Rolle in der Welt, Nahost und das Militärbudget. Doch die beiden Kandidaten richten den Blick immer wieder auf die Lage im eigenen Land - Romney aus Kalkül und der US-Präsident, weil er deutlich überlegen ist. Obama hat die letzte Debatte gewonnen, aber noch nicht die Wahl. Verlierer und Gewinner im Überblick.

Matthias Kolb, Boca Raton

Das Wahljahr 2012 wird den Amerikanern sicher aus einem Grund in Erinnerung bleiben: Selten haben die TV-Debatten eine so große Rolle gespielt. Im Vorwahlkampf der Republikaner musste der Texaner Rick Perry seine Hoffnungen begraben, weil er zu oft in den Debatten neben sich stand. Und Romney hatte es vor allem seiner guten Leistung als Debattierer zu verdanken, dass er im Oktober drei Mal gegen US-Präsident Barack Obama antreten konnte.

Und die hervorragende Leistung des Republikaners in der ersten Debatte in Denver sorgte dafür, dass es bis zur Wahl am 6. November extrem spannend bleiben wird.

Mit einer 90-minütigen Debatte über Außenpolitik in Boca Raton (nachzulesen im Süddeutsche.de-Newsblog) ist die diesjährige Debattensaison nun vorbei - es war ein wenig wie bei einem Tennisspiel: Spiel, Satz, Sieg. Wie bei den ersten Duellen gibt es an diesem Abend einige eindeutige Sieger und Verlierer.

Gewinner:

[] Barack Obama

Die außenpolitische Bilanz gehörte stets zu den Stärken des US-Präsidenten, die der 51-Jährige gern betont: Al-Qaida-Chef Osama bin Laden lebt nicht mehr, im Irak sind offiziell keine US-Kampfeinheiten mehr stationiert und das Ansehen Amerikas in der Welt ist gestiegen. Seit 2009 beschäftigt sich Obama täglich mit komplizierten diplomatischen Angelegenheiten und so wundert es nicht, dass er sich in Boca Raton deutlich wohler in seiner Haut fühlt und eloquenter als Romney über Afghanistan, den Arabischen Frühling oder das amerikanische Militärbudget redet.

Immer wieder hebt er seine Erfahrung hervor: "Was ich als Präsident gelernt habe, ist es, verlässlich zu sein." Er betont, dass man weder gegenüber den Feinden noch den Freunden die Botschaft allzu oft ändern dürfe - und zählt dann die Meinungswechsel des Republikaners auf. Und weil er aus seinen Fehlern gelernt hat, ist Obama im direkten TV-Duell aufmerksam und bereit, seine Entscheidungen zu verteidigen. Da Romney eher nervös ist, aus den 30.000 Toten des syrischen Bürgerkriegs auch mal 3000 macht und nicht erklären kann, was er als Präsident wirklich anders machen würde, kann Obama immer wieder über innenpolitische Themen sprechen: Er verspricht, sich für bessere Unterstützung der Veteranen einzusetzen und mehr Geld in die Bildung zu stecken.

Und der Präsident ist auch schlagfertiger. Er hält dem Republikaner seine Aussage vor, Russland sei Amerikas "geopolitischer Feind Nummer eins" - und verknüpft dies mit seiner Kritik an Romneys anderen Ideen: "Sie planen eine Außenpolitik wie in den Achtziger Jahren, eine Gesellschaftspolitik wie in den Fünfziger Jahren und wollen Wirtschaftspolitik wie in den Zwanziger Jahren machen." Und um seinen Vorwurf zu unterstreichen, Romney habe keine Ahnung von einem modernen Militär, wählt er dieses Bild: "Sie sagen immer, Gouverneur, dass wir weniger Schiffe haben als 1916. Wir haben auch weniger Pferde und Bajonette - dafür haben wir Flugzeugträger. Und wir haben Schiffe, die unter Wasser fahren können, nämlich Atom-U-Boote."

Es läuft gut für den Präsidenten - an diesem Abend. Doch bis zum 6. November muss er noch hart arbeiten - und zittern, ob es für eine zweite Amtszeit reicht.

[] Europa

Amerikas Rolle in der Welt, die Lage in Libyen und Syrien, Irans Nuklearprogramm sowie "China und andere Bedrohungen für Amerika" - so lauteten die Themen der letzten Debatte 2012. Moderator Bob Schieffer hatte es entschieden, nicht über die Schuldenkrise in Europa und die damit verbundenen Risiken zu reden. Dass weder Obama noch Romney auf die Europäische Union oder die Probleme rund um die Gemeinschaftswährung eingingen, ist eher ein gutes Zeichen, denn gerade die Republikaner führen Staaten wie Griechenland und Spanien als Beleg für staatliches Scheitern an.

[] Journalistinnen

Bob Schieffer hatte die Wahl: Der 75-Jährige konnte sich anschauen, wie dem drei Jahre älteren Jim Lehrer die Debatte in Denver entglitt, wie Martha Raddatz Joe Biden und Paul Ryan mit kompetenter Konsequenz führte und wie Candy Crowley es ablehnte, bei der zweiten Debatte nur als Mikrofon-Halterin zu agieren und ihr Fachwissen einbrachte. CBS-Veteran Schieffer gelang es zwar besser als Lehrer, die Herren Obama und Romney unter Kontrolle zu halten und verwehrte dem drängelnden Republikaner auch mal das Recht auf Widerrede.

Doch seine Fragen waren sehr offen, mitunter bot er den Kandidaten mehrere Gedanken an und er insistierte nicht, wenn beide auswichen und über andere Dinge redeten. Wahrscheinlich zivilisierte der Tisch Obama und Romney mehr als die Worte Schieffers. Insofern bleibt zu hoffen, dass die Kommission 2016 sich wieder für Raddatz und Crowley als Moderatoren entscheiden - und entweder jüngere Männer oder noch mehr Frauen auswählt.

Verlierer:

[] Mitt Romney

Die drei Duelle mit US-Präsident Obama sind für den Republikaner besser gelaufen, als er sich vor Wochen wohl noch vorstellen konnte (bald mehr zur Debatten-Bilanz in einer separaten Süddeutsche.de-Analyse). Doch an diesem letzten Abend hat Romney wohl nur wenige Zuschauer überraschen können: Das konservative Amerika wird seine Kritik an Obamas Führungsschwäche, sein Plädoyer für ein noch engeres Bündnis mit Israel und seine harten Worte gegenüber Russland Präsidenten Wladimir Putin und China gern gehört haben.

Romney kann Obamas Punktsieg nicht verhindern

Ansonsten konnte der Republikaner den Punktsieg Obamas nicht verhindern - zu groß der Wissensvorsprung der amtierenden Präsidenten, zu komplex die sicherheitspolitische Lage im Jahr 2012, um auch mit bester Vorbereitung auf Augenhöhe argumentieren zu können. Die Ziele, die Romneys Berater wohl ausgeben hatten, hat der 65-Jährige aber erfüllt: Ihm unterlief kein echter Patzer, er machte den kriegsmüden Amerikanern immer wieder deutlich, dass er nicht leichtfertig einen weiteren Krieg starten wolle, er präsentierte sich als Freund des Militärs und er lobte Obama dafür, dass dieser den Befehl zur Ergreifung Osama bin Ladens gegeben habe.

Dass es ihm nicht gelang, den Außenpolitik-Experten und interessierten Wechselwählern deutlich zu machen, inwieweit ein Präsident Mitt Romney anders mit den Politikern in Teheran, Peking oder Jerusalem umgehen oder eine andere Strategie in Afghanistan anwenden würde, dürfte Romney jedoch nicht schaden. Vielen Zuschauern ging es wohl wie den Nutzern bei Twitter: Sie konzentrierten sich auf das gleichzeitig stattfindende Football-Spiel und die Play-offs im Baseball.

[] Außenpolitik

Die Amerikaner interessieren sich wenig für Außenpolitik und diese Debatte wird daran wenig ändern. Das lag auch daran, dass sich Obama und Romney immer wieder in Details verloren und sich der Nahostkonflikt schlicht nicht in einem 15-Minuten-Segment diskutieren lässt. Doch zugleich nutzten beide Kandidaten fast jede Gelegenheit, um über Wirtschaftspolitik, innenpolitische Probleme wie Bildung oder allgemeine Themen wie Führungsstärke zu sprechen. Besonders deutlich wurde dies im Schluss-Statement, wie nicht nur Chris Cillizza von der Washington Post bemerkte: Als es darum ging, um die Stimmen der Wähler zu werben, kam die Außenpolitik plötzlich nicht mehr vor.

[] Mali

Allzu viele Amerikaner dürften - ebenso wie die große Mehrheit der Deutschen - nicht wissen, dass dem Terrornetzwerk al-Qaida nahestehende Islamisten im Norden des afrikanischen Landes, das an Algerien, Mauretanien und Niger grenzt, die Kontrolle gewonnen haben. Dies macht die Situation in der Region extrem instabil (Hintergründe hier). Vier Mal sprach Mitt Romney mit sorgenvoller Stimme und gerunzelter Stirn innerhalb der ersten zehn Minuten über die Lage in Mali - was wohl leider nicht dazu führen dürfte, dass sich die Weltgemeinschaft stärker in Westafrika engagiert.

[] Fakten

Es ist ein weiteres Kennzeichen dieses Wahlkampfs, dass es die Kandidaten mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Zwar reden viele Bürger und Journalisten zurzeit viel über die wertvolle Arbeit der Fact-Checker (mehr in diesem SZ-Artikel), doch die Politiker kümmert dies nicht: Sie zitieren die Arbeit der Faktenprüfer gern, um den politischen Gegner in Werbespots niederzumachen.

Ein wirksames Argument in der Debatte lassen sie sich jedoch von den Faktenprüfern nicht kaputtmachen. Beispiel aus Boca Raton: Seit Jahren werfen Amerikas Konservative dem Präsidenten vor, im Ausland auf "Entschuldigungstour" zu sein - und so wiederholte Romney diese Klage auch in Boca Raton. Man ist es als Beobachter des Wahlkampfs gewöhnt, doch die Empörung bleibt.

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