Korruption:Bahr bremst Union und Krankenkassen

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Selbstständige Ärzte, die sich bestechen lassen, können seit einem BGH-Urteil nicht mehr belangt werden. Gesundheitsminister Bahr wollte eine Rechtsänderung prüfen - und änderte bislang nichts. Union und Krankenkassen machen Druck. Doch Bahr bremst.

Union und Krankenkassen fordern ein schärferes Vorgehen gegen korrupte Ärzte. Denn Bestechung und Bestechlichkeit niedergelassener Ärzte ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Juni nicht mehr strafbar. Der AOK-Bundesverband fordert die Bundesregierung nun auf, die Gesetzeslücke zu schließen. Der Unionsexperte Jens Spahn (CDU) droht den Ärzteorganisationen eine gesetzliche Strafregelung für den Fall an, dass sie das Problem intern nicht in den Griff zu kriegen. Doch Gesundheitsminister Bahr (FDP) bremst die Vorstöße. Er will sich nicht hetzen lassen und prüft, ob es rechtlichen Änderungsbedarf gibt.

"Entweder beginnt die ärztliche Selbstverwaltung endlich eigenständig, die Dinge klar beim Namen zu nennen und aktiv zu bekämpfen, oder wir müssen eine Strafnorm schaffen, damit der Staatsanwalt aktiv wird", sagte Spahn, der gesundheitspolitischer Fraktionssprecher ist, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Grenzen zwischen Kooperation und Korruption von Ärzten etwa mit Pharmafirmen seien unscharf. Niemand bestreite, "dass es tausendfach in Deutschland direkt oder indirekt Zahlungen oder Geschenke etwa von Laboren oder Pharmafirmen an Ärzte gibt". Dabei ist die Annahme von Provisionen und Geschenken immerhin noch nach der ärztlichen Berufsordnung verboten. Nach Einschätzung der Krankenkassen werden Verstöße aber nur sehr selten verfolgt und bestraft.

Das Argument von Ärztevertretern, es fehle ihnen an Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen, ließ Spahn nicht gelten. "Dann sollten sie uns schnellstens konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, was wie geändert oder verschärft werden muss, damit sie ihre Arbeit tun können." Wahrscheinlich müsse erst mal fünf bis zehn Ärzten die Berufserlaubnis entzogen werden, "bis bei allen die nötige Sensibilität einkehrt".

Krankenkassenverband legt Gesetzesvorschlag vor - Bahr bremst

Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, forderte die Bundesregierung auf zu handeln. "Freiberuflichkeit darf kein Freibrief für Korruption sein", sagte er der Berliner Zeitung. "Auch hier müssen strafrechtliche Sanktionsmechanismen greifen." Der Spitzenverband der Krankenkassen hat derselben Zeitung zufolge bereits einen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, der bis zu drei Jahre Haft für den Bestechenden wie den Bestochenen vorsieht. Die Regelung soll demnach ins Sozialgesetzbuch aufgenommen werden.

Gesundheitsminister Bahr hatte zwar nach dem BGH-Urteil angekündigt zu prüfen, ob Schritte gegen Ärzte-Korruption nötig sind. Bisher sind jedoch noch keine konkreten Maßnahmen bekanntgeworden. Auch auf die letzten Vorstöße der Union und den Krankenkassen reagiert er verhalten: Zunächst müssten die Stellungnahmen von Ärzten, Krankenkassen und aus den Bundesländern ausgewertet werden, sagte eine Sprecherin seines Ministeriums. Erst danach werde entschieden, ob mit Gesetzesverschärfungen gegen Mediziner vorgegangen werden sollte, die etwa die Produkte bestimmter Pharma-Firmen im Gegenzug für Zuwendungen bevorzugen. Ärzte gelten als eine wichtige Klientel der FDP.

Der Bundesgerichtshof hatte im Juni 2012 über einen Fall entschieden, in dem eine Pharmareferentin Kassenärzten Schecks über insgesamt etwa 18.000 Euro übergeben hatte. Die Bundesrichter sprachen zwar von "korruptivem Verhalten" - dies sei jedoch derzeit nicht strafbar. Denn niedergelassene Ärzte handelten weder als "Amtsträger" noch als "Beauftragte" der gesetzlichen Krankenkassen. Bei angestellten Ärzte dagegen wäre das anders. Die Richter hatten der Politik anheimgestellt, die Strafbarkeit zu ändern.

© Süddeutsche.de/dpa/fran/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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