Konkurrenz zwischen von der Leyen und Steinmeier:Die Mutige und der Regisseur

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Als der deutsche Außenminister am Sonntagabend seine drei Kollegen aus Russland, Frankreich und der Ukraine durch den weitläufigen Garten der Villa Borsig am Tegeler See führt, entstehen - man muss das so sagen - ganz beeindruckende Bilder. (Foto: AP)

Außenminister Steinmeier macht den Weg frei für Waffenlieferungen an die Kurden und vermittelt im Ukraine-Konflikt. Verteidigungsministerin von der Leyen will da nicht zurückstehen und sorgt mit einer Geschichte für Aufsehen, die manchem in der Regierung negativ im Gedächtnis bleiben wird.

Von Stefan Braun, Berlin

Man kann nicht sagen, dass sich Frank-Walter Steinmeier nicht in Szene setzen könnte. Als der deutsche Außenminister am Sonntagabend seine drei Kollegen aus Russland, Frankreich und der Ukraine durch den weitläufigen Garten der Villa Borsig am Tegeler See führt, entstehen - man muss das so sagen - ganz beeindruckende Bilder. Vier Männer im vertrauten Gespräch unter alter deutscher Eiche. Vier Männer in schwerer Zeit, die vor der Seenlandschaft sehr nachdenklich über die Krise in der Ukraine reden. Vier Männer, die auch mal blödeln, als wären sie Lausbuben. Und mittendrin geht und redet ein Mann mit silbergrauem Haar, der Regie führt: der Außenminister.

So sehr wird das auch zu einer Inszenierung, dass Spötter unter den Journalisten schon an Helmut Kohl und Michael Gorbatschow erinnern, damals im Kaukasus, als Kohl in Strickjacke 1990 die deutsche Einheit perfekt machte.

Der Friede vom Tegeler See - er ist am Ende natürlich ausgeblieben. Außer einem gut fünfstündigen Gespräch und leisen Annäherungen ist wenig Konkretes rausgekommen. Aber Steinmeier kann zur nächtlichen Stunde erklären, dass es ein bisschen mehr Hoffnung gibt für die Ostukraine.

So etwas wie ein Jackpot

Dieser Auftritt ist der Abschluss eines für den Minister recht spektakulären Wochenendes: Am Freitag in Brüssel mit den EU-Außenministern den Weg frei gemacht für Waffenlieferungen an die Kurden, am Samstag in Erbil und Bagdad mit Politikern und humanitären Helfern über nötige Hilfen geredet und am Sonntag zu Hause im Ukraine-Konflikt vermittelt. Das ist nicht nur mühsam und seine Aufgabe, sondern für einen Politiker in der medialen Wirkung auch so etwas wie ein Jackpot.

Man muss allerdings hinzufügen, dass Ursula von der Leyen ihrem Ministerkollegen da allenfalls ein klitzekleines bisschen nachsteht. Die Verteidigungsministerin hat zuletzt zwar nicht so viele Auftritte gehabt. Deshalb hinkt sie auch ein wenig hinterher, wenn man ihre Präsenz in den Medien betrachtet. Dafür aber ist es ihr gelungen, mit einer einzigen Geschichte im Spiegel in der Hauptstadt so viel Aufmerksamkeit zu erregen, dass das seine ganz eigene Würdigung verdient hat. Denn in dieser Geschichte erscheinen der Außenminister und die Bundeskanzlerin wie kleine sachdienliche Begleiter der großen Linie Ursula von der Leyens.

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Im Streit über Deutschlands Rolle in der Welt stehen die Minister von der Leyen und Steinmeier in unguter Konkurrenz. Die CDU-Frau ist die bessere Verkäuferin, doch ihre Irak-Kenntnisse wirken angelesen - anders bei Steinmeier. Vermutlich weiß nicht nur die Kanzlerin, auf wen sie sich mehr verlassen kann.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Durch Informationen, die nur von ihr oder ihrer engsten Umgebung stammen können, entsteht der Eindruck, die Debatte und die Wende in Sachen Waffenlieferungen seien vor allem, zuallererst und am allermeisten von Ursula von der Leyen betrieben worden. Frank-Walter Steinmeier wird zu einem leisen Mitläufer. Und Angela Merkel wird zu einer Kanzlerin, die gezogen und gedrängt und gezwungen und gelotst werden muss, damit sie endlich den Weg der Verteidigungsministerin mitgeht. Von der Leyen, die Mutige, die Entschlossene, die weiß, was sie tut und tun möchte. Es entsteht, wieder einmal, das Bild, das sie von sich in der Öffentlichkeit haben möchte.

Die Sache hat nur einen Haken: Die anderen in der Regierung haben die Ereignisse in der politisch so heiklen vergangenen Woche ein bisschen anders wahrgenommen. Entsprechend hat die Geschichte intern erst Kopfschütteln, dann Ärger ausgelöst. Sicher, von der Leyen ist bekannt und berüchtigt dafür, andere auch mal heftig zu rempeln, wenn ihr das nutzen könnte. Und in der Vergangenheit ist das durchaus lächelnd begleitet worden. Zum Beispiel, als sie in der vergangenen Legislaturperiode eine junge, schwächere Familienministerin im Streit um die Quote vor sich hertrieb.

Aber dass nun der Eindruck entstehen konnte, sie sei auch in höchst sensibler Situation bereit, die eigene Profilierung vor das gemeinsame Ringen um den richtigen Kurs zu stellen, wird im Kanzleramt und im Auswärtigen Amt nachwirken.

Nun ist der Wettbewerb zwischen Außen- und Verteidigungsministerium nichts Ungewöhnliches in Krisenzeiten. Aber wenn sich alle anderen ganz anders als von der Leyen an die vorige Woche erinnern, wird es problematisch. Da ist zum Beispiel das Treffen der wichtigsten Minister nach dem Kabinett am vergangenen Mittwoch.

Es wird im Gedächtnis bleiben

Zu diesem Zeitpunkt hatte von der Leyen die nach ihrer Einschätzung kluge Unterscheidung zwischen tödlichen und nicht-tödlichen Waffen getroffen. Anders als die Verteidigungsministerin hielten das die Kanzlerin und die anderen Minister jedoch für ziemlichen Unsinn. Und genau das wurde von der Leyen in der kleinen Runde so eindrücklich klargemacht, dass sie diese Unterscheidung von da an nicht mehr so recht vornehmen mochte.

Zum offenen Bruch, das versteht sich, wird das alles nicht führen. Es wird, so heißt es aus Regierungskreisen, einfach im Gedächtnis bleiben. Und so telefonierten Steinmeier und von der Leyen am Montagvormittag fast so, als sei gar nichts gewesen. Diesmal mussten sie sich ja abstimmen, immerhin sollten beide am Nachmittag vor ihren Parlamentsausschüssen auftreten.

Und während die Ministerin den Verteidigungspolitikern später am Tag die deutschen Pläne schildert, heißt es aus ihrer Umgebung, die "Synchronisierung" innerhalb des Kabinetts sei noch nie so gut gewesen wie in diesen Tagen. Eigenwerbung kann halt auch bei sogenannten PR-Profis furchtbar aus dem Ruder laufen.

© SZ vom 19.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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