Koalitionsverhandlungen in Thüringen:Matschie will nicht mehr

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Der SPD-Landeschef galt bisher als Hindernis für eine rot-rot-grüne Koalition. Jetzt gibt Christoph Matschie seinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten auf.

Christiane Kohl

Der Aufruf an die lieben "Genossinnen und Genossen" klingt eher wie ein Brandbrief. "Lasst uns nicht als die Verhinderer dastehen", verlangt der thüringische Landtagsabgeordnete Wolfgang Lemb in einem zweiseitigen Rundschreiben an seine Parteifreunde. Der Sozialdemokrat plädiert vehement für eine Koalition mit Grünen und Linkspartei in Erfurt. Und nicht nur Lemb, ein Gewerkschaftssekretär der IG Metall, setzt sich in der Thüringen-SPD für ein rot-rot-grünes Bündnis ein, viele Mitglieder von Stadt- und Kreisverbänden sprachen sich in den vergangenen Tagen ebenfalls für eine Zusammenarbeit des linken Lagers aus: Eine wahre Welle hat die Thüringer SPD erfasst - seit dem katastrophalen Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl ist sie zur Flut angeschwollen.

Gibt seinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten auf: SPD-Landesvorsitzender Christoph Matschie. (Foto: Foto: dpa)

"Wir sind jetzt am Zug", schreibt Lemb: Ob man wolle oder nicht, die Sozialdemokraten müssten nun "die Weichen für eine Koalition der Veränderung stellen". Ähnlich äußerten sich zahlreiche Kreisvorstände auch der SPD-Stadtverband Erfurt entschied sich einstimmig für Rot-Rot-Grün. Als einziges Hindernis auf dem Weg in ein linkes Bündnis erschien vielen Genossen ihr Landesvorsitzender Christoph Matschie. Doch dieser betonte am Dienstagabend, dass ein rot-rot-grünes Bündnis nicht an ihm scheitern werde: "Mit geht es nicht um meine Person, mir geht es um eine funktionsfähige Regierung", sagte Matschie. Allerdings besteht er darauf, dass ein Sozialdemokrat als Regierungschef einer solchen Koalition der Linken gewählt werden solle.

Schon vor der Wahl hatte sich Matschie festgelegt, nur dann ein Bündnis mit der Linkspartei einzugehen, wenn der Ministerpräsident ein SPD-Mann würde. Nach den Landtagswahlen, bei denen die Linken mit 27,4 Prozent knapp neun Prozentpunkte vor der SPD (18,5 Prozent) lagen, aber schien diese Zielvorgabe in weite Ferne gerückt zu sein. Dies um so mehr, da die SPD bei den Bundestagswahlen in Thüringen noch stärker an Stimmen verlor und auf 17,6 Prozent zurückfiel, während die Linke mit 28,8 Prozent noch einmal zulegte. Schon forderten Parteifreunde daher Matschies Rücktritt, ausgerechnet sein Intimfeind und Vorgänger im Amt des Landesvorsitzenden, Richard Dewes, nahm den angeschlagenen SPD-Chef vermeintlich in Schutz: Rücktrittsforderungen seien nicht angebracht, so Dewes, Matschie müsse sich lediglich dem "rot-rot-grünen Projekt" in Thüringen unterordnen.

Dies ist nun offenbar geschehen. Indes wirkt das Projekt zurzeit recht fragil, denn noch sind die Grünen unentschieden: "Ein Teil ist dafür, ein anderer dagegen", heißt es aus Parteikreisen. Nur Linksparteichef Bodo Ramelow gibt sich entspannt. "Die SPD muss ihre Entscheidung schon selbst treffen", meint Ramelow. Dass die Linke einen Sozialdemokraten ins Amt des Ministerpräsidentenposten wählt, scheint hingegen fraglich. An diesem Mittwoch trifft sich die SPD erneut zu Sondierungsgesprächen mit Linkspartei und Grünen, später ist ein Gespräch mit der CDU terminiert. Am Abend soll der SPD-Landesvorstand entscheiden, mit wem förmliche Koalitionsgespräche aufgenommen werden sollen.

© SZ vom 30.09.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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