Islamisten:So wappnet sich die deutsche Polizei für den Anti-Terror-Kampf

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Berlin Polizisten stehen am Samstag in Berlin vor der französischen Botschaft. Die Polizei hatte den Bereich um das Botschaftsgebäude weiträumig abgesperrt. (Foto: dpa)

Polizei und Geheimdienste sollen besser ausgerüstet werden. Aber reicht das? Mehr als 400 "Gefährder" sind in Deutschland bekannt. Sie rund um die Uhr zu beobachten ist unmöglich.

Von Tanjev Schultz, München

Mehr Polizisten, mehr Agenten: Schon vor den Anschlägen von Paris haben die deutschen Sicherheitsbehörden damit begonnen aufzurüsten. Im Süden, im Norden, eigentlich überall. Die Regierung in Mecklenburg-Vorpommern beschloss gerade, den Landesverfassungsschutz auszubauen. Auch die Bayern stellen mehr Leute ein: 500 zusätzliche Ausbildungsstellen für Polizisten und 62 Stellen für neue Mitarbeiter beim Geheimdienst werden geschaffen. Die Bundesregierung will ebenfalls mehr Geld ausgeben. Der Bundesnachrichtendienst wächst um 225, das Bundesamt für Verfassungsschutz um 250 Stellen. Viele dieser neuen Kräfte werden in der Terrorabwehr arbeiten.

Die Beobachtung verdächtiger Islamisten ist sehr aufwendig. In Deutschland gibt es 420 sogenannte Gefährder, denen die Behörden zutrauen, dass sie jederzeit einen Anschlag begehen können. Für jeden einzelnen von ihnen wären dauerhaft mindestens 30 Beamte nötig, um eine Observation rund um die Uhr zu gewährleisten; das ist auch mit den neuen Planstellen nicht dauerhaft zu leisten. Zudem gehen Gefahren nicht nur von bereits bekannten Islamisten aus, die Behörden müssen sich ständig auf neue Verdächtige einstellen.

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In den vergangenen Wochen standen Polizei und Geheimdienste ohnehin schon unter besonderer Anspannung. Die schwierige Lage an den Grenzen, die Flüchtlinge und die zahlreichen Angriffe von Rechtsextremisten auf Asyl-Unterkünfte führten zu Sonderschichten und vielen Überstunden bei den Beamten. "Wir sind eigentlich jetzt schon auf dem Zahnfleisch", sagt ein Bundespolizist. Er wisse nicht, wie lange er und seine Kollegen das alles noch durchhalten könnten.

In Reaktion auf die Anschläge gibt es jetzt auch in Deutschland mehr Polizei auf den Straßen. Flughäfen, Bahnhöfe und Einrichtungen französischer Institutionen werden besonders intensiv überwacht, die Sicherheitsvorkehrungen an den Grenzen und zentralen Gebäuden verstärkt. Die Streifen würden "auch etwas anders aussehen als bisher", hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) angekündigt. Etliche Beamte werden nun Schutzwesten tragen und Maschinenpistolen bei sich oder zumindest im Dienstwagen mitführen. Die verschiedenen Spezialeinsatzkräfte von Bund und Ländern sind in Rufbereitschaft versetzt worden und können jederzeit zusammengezogen werden. Auch Hubschrauberstaffeln sind alarmiert und darauf eingestellt, jederzeit zu starten.

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Die erhöhte Bereitschaft und die erhöhte Präsenz auf öffentlichen Plätzen wird allerdings nicht dauerhaft durchzuhalten sein. Deshalb gibt es auch Forderungen, die darauf abzielen, die Routine-Ausrüstung der Beamten zu verbessern. Bei der Bundespolizei beispielsweise wünschen sich viele ein Reservemagazin für die Dienstpistole. Derzeit haben die Beamten nur 15 Patronen dabei. Im Falle eines Terrorakts wären sie damit nicht wehrhaft genug, argumentieren die Beamten. Bis Spezialkräfte mit robuster Ausrüstung an einem Tatort angekommen sind, brauche es oft einige Zeit, während der die normalen Polizeistreifen auf sich gestellt seien.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat deshalb in diesem Jahr, nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo, noch einen weiteren Plan ins Spiel gebracht: den Aufbau flexibler Anti-Terroreinheiten bei der Bundespolizei. Sie sollen die bestehenden Spezialkräfte der Länder und die Eliteeinheit GSG 9 ergänzen.

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Gegen den Plan gab es Widerstände aus den Ländern. Dennoch nimmt er mittlerweile Konturen an und soll bis Ende dieses Jahres in die konkrete Umsetzungsphase übergehen. Die zusätzlichen Kräfte sollen auf etwa fünf Standorte verteilt und an den bereits bestehenden "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten" der Bundespolizei angesiedelt werden. Die Beamten bekommen eine spezielle Ausbildung und eine besonders "robuste" Ausrüstung für den Kampf gegen schwer bewaffnete Terroristen.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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