Sieben Attentäter von Paris überlebten die Anschläge nicht. Die Polizei nahm in Belgien mehrere mutmaßliche Unterstützer fest. Ein Verdächtiger ist auf der Flucht: der 26-jährige Salah Abdeslam. Er soll den Polo gemietet haben, mit dem eine Gruppe der Attentäter zum Konzertsaal Bataclan fuhren, wo sie mindestens 89 Menschen erschossen. Abdeslam ist französischer Staatsbürger, aber in Brüssel geboren. Auch einer der toten Attentäter ist identifiziert: Ismaël Omar Mostefaï. Zudem sollen der Pariser Staatsanwaltschaft zufolge ein 20- und ein 31-jähriger Franzose unter den Toten sein, ihre verstümmelten Leichen sind identifiziert. Der ältere der beiden soll Salah Abdeslams Bruder Ibrahim sein.
Wie wurde Ismaël Omar Mostefaïs Identität festgestellt?
Mostefai ist der einzige Attentäter, über den bis Sonntagabend weitere Informationen vorlagen. Ein abgetrennter Finger, der in der Konzerthalle Bataclan - dem Anschlagsort mit den meisten Opfern - gefunden wurde, soll die Identifizierung von Ismaël Omar Mostefaï möglich gemacht haben. Das berichtet unter anderem der Guardian unter Berufung auf die französischen Behörden. Mostefaï war der Polizei nach Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP als Kleinkrimineller bekannt, deshalb waren seine Fingerabdrücke im System.
Mostefaï war einer von drei Männern, die am Freitagabend in der Konzerthalle das Feuer auf die Besucher eines Konzerts der US-Band Eagles of Death Metal eröffneten. Dabei starben nach jetzigem Stand 89 Menschen, Dutzende weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Zum Anschlagsort fuhr das Trio mit einem VW Polo mit belgischem Kennzeichen, Mostefaï soll am Steuer gesessen haben.
Wer ist Ismaël Omar Mostefaï?
Ismaël Omar Mostefaï war den Angaben zufolge 29 Jahre alt. Er soll algerische Wurzeln haben, wurde aber in Frankreich geboren. Als Geburtsdatum und -ort nennt AFP den 21. November 1985 in Courcouronnes. Courcouronnes war einst ein Dorf im Süden von Paris und ist heute ein sozial schwacher Vorort der Millionenmetropole. Der Ort besteht überwiegend aus Hochhaussiedlungen, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren aus dem Boden gestampft wurden.
Der Guardian berichtet unter Berufung auf einen französischen Parlamentsabegordneten, Mostefaï habe bis 2012 in Chartres, im Südwesten der Hauptstadt, gelebt. Dort soll er im Stadtteil La Madeleine gewohnt haben, möglicherweise in einer Sozialwohnung, und im Stadtteil Lucé regelmäßig die Moschee besucht haben. Die Nachrichtenseite Le Journal du Centre schreibt unter Berufung auf Anwohner in La Madeleine, Mostefaï sei zwar als Kleinkrimineller bekannt gewesen, aber nach der Geburt seiner Tochter 2010 nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Zwischen 2004 und 2008 war Mostefaï achtmal wegen kleinerer Delikte verurteilt worden. Eine Haftstrafe verbüßte er allerdings nicht. In den folgenden Jahren hat sich Mostefaï vermutlich dem radikalen Islam zugewandt. AFP berichtet unter Berufung auf den Pariser Staatsanwalt François Molins, Mostefaï sei 2010 als Hochrisiko-Person für eine mögliche Radikalisierung erfasst und eine Zeit lang im "Fiche S" geführt worden, einem Register für mögliche Gefährder der Staatssicherheit. Sein Name sei aber nie im Zusammenhang mit einer Untersuchung in der islamistischen Szene oder einer terroristischen Vereinigung aufgekommen.
Paris und die politischen Folgen:Für die Freiheit
Wer nach Paris einen Ursachenzusammenhang zur Flüchtlingskrise konstruiert, der zündelt und verkennt das Problem. Die größte Beleidigung für die Attentäter ist die Freiheit - solange es Freiheit gibt, wird sie wohl zum Ziel des Terrors werden.
Le Journal du Centre berichtet, Mostefaï sei Anhänger eines radikalen Islamisten aus Belgien gewesen. Der gebürtige Marrokaner soll mehrmals in das Département Eure-et-Loir gereist sein - in dem Chartres liegt -, um Unterstützer zu rekrutieren. Nach 2012 verschwand Mostefaï dann vom Radar der Behörden. Offenbar gibt es Hinweise, dass er Ende 2013, Anfang 2014 nach Syrien reiste, Ermittler überprüfen das derzeit.
Was ist über die Familie des identifizierten Bataclan-Attentäters bekannt?
Mostefaïs Vater und ein Bruder wurden am Samstagabend von der französischen Polizei in Gewahrsam genommen. Mostefaï soll insgesamt zwei Brüder und zwei Schwestern haben. Außerdem werden derzeit vier weitere Verwandte befragt. Das Haus der Eltern von Mostefaï in Romilly-sur-Seine, einer Stadt im Südosten von Paris, wird untersucht. Ein Journalist des Radiosenders France Info berichtet aus Romilly-sur-Seine, die Eltern seien in ihrem Viertel sehr respektiert.
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Der in Gewahrsam genommene 34-jährige Bruder hatte sich freiwillig bei den Behörden gemeldet, nachdem bekannt geworden war, dass Mostefaï in die Terroranschläge verwickelt ist. AFP sagte der Bruder vor seiner Festsetzung: "Das ist verrückt, das ist Wahnsinn. Gestern war ich in Paris und habe miterlebt, wie diese Scheiße passiert ist." Der 34-Jährige hatte nach eigenen Angaben seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Bruder. Er habe gewusst, dass dieser wegen kleinkrimineller Delikte vorbestraft sei, sich aber nie vorstellen können, dass sich sein Bruder radikalisieren könnte.
Eine Spur im Zusammenhang mit den Terroranschlägen führt nach Brüsssel. Dort nahm die Polizei am Samstag bei einem Großeinsatz im Migrantenviertel Molenbeek drei Menschen fest. Mindestens einer von ihnen sei am Abend der Anschläge in Paris gewesen, sagte der belgische Ministerpräsident Charles Michel. Dort waren zwei Autos mit belgischen Nummernschildern an den Tatorten aufgefallen. Den Pariser Ermittlern zufolge wurde ein Franzose mit Wohnsitz in Brüssel nahe der belgischen Grenze aufgegriffen. Er habe ein Auto in Belgien gemietet, das in die Anschläge verwickelt sei. Einer der Festgenommenen soll der dritte Bruder von Ibrahim und Salah Abdeslam sein, er soll allerdings bald wieder freigelassen worden sein.
Linktipps:
- "Und immer wieder führt die Spur nach Belgien" - SZ-Brüssel-Korrespondent Thomas Kirchner über die dschihadistische Szene in Belgien.
- Über den aktuellen Stand der Ermittlungen halten wir Sie in unserem Liveblog auf dem Laufenden.
Was wissen wir über andere Attentäter?
Bei einem der toten Attentäter wurde ein syrischer Pass gefunden. Vollkommen unklar ist allerdings, ob das Dokument echt ist. Selbst wenn es sich um offizielle Dokumente handelt, könnten die Pässe gestohlen oder gekauft worden sein.
Mitarbeit: Christian Wernicke, Paris. Mit Material der Agenturen.