Islamischer Staat:Was tun mit den deutschen Dschihadistinnen?

Islamischer Staat: Zivilisten fliehen aus den Trümmern in Mossul, das jahrelang in der Hand des IS war. In den Ruinen wurden auch viele ausländische Frauen gefunden, die sich freiwillig dem IS angeschlossen hatten. (Symbolbild)

Zivilisten fliehen aus den Trümmern in Mossul, das jahrelang in der Hand des IS war. In den Ruinen wurden auch viele ausländische Frauen gefunden, die sich freiwillig dem IS angeschlossen hatten. (Symbolbild)

(Foto: AFP)

Wenn IS-Bräute wie die 16-jährige Linda W. bald nach Deutschland zurückkehren, stehen Richter vor einem Dilemma: Einerseits kann man bei ihren Taten kein Auge zudrücken. Andererseits sind Gefängnisse Brutstätten des Hasses.

Kommentar von Ronen Steinke

Wenn die deutschen Dschihad-Bräute, die kürzlich im irakischen Mossul aus Trümmern gezogen wurden, hoffentlich bald und hoffentlich heil nach Hause zurückkehren und hier vor einen Richter kommen, dann könnte einem eine Spottgeschichte des englischen Essayisten G. K. Chesterton einfallen, in der ein Richter sagt: "Ich verurteile Sie zu drei Jahren Gefängnis in der festen Überzeugung, dass das, was Ihnen wirklich nottut, ein dreiwöchiger Aufenthalt an der See ist."

Schon nach dem Wenigen, was bislang bekannt ist, sind diese Frauen nicht aus den Fängen der Terrormiliz IS befreit worden. Sondern sie haben die Reihen der Täter verstärkt. Nichts daran ist eine Kinderei, nichts ist harmlos. Man braucht das auch nicht mit milderem Blick zu betrachten, nur weil sie verblendet, "verführt" oder jung waren. Die Unterstützung einer Mordbrennermiliz, mit welcher Unterstützungstätigkeit auch immer, wiegt als Verbrechen schwer. Millionen Menschen, die unter der IS-Herrschaft gelitten haben, klagen an; nicht wenige von ihnen ja inzwischen vom deutschen Exil aus.

Gleichzeitig aber wird man kaum der unangenehmen Frage entkommen können, was strafrechtliche Härte und Zurückweisung - nicht räumlich, aber sozial - gegenüber solchen wackelnden Charakteren bewirkt. Dschihad-Rückkehrer können brandgefährlich sein, die meisten Attentate in Europa zuletzt wurden genau von solchen jungen Tätern begangen, die eine Weile im Ausland gekämpft, sich zurück in Europa aber zunächst ruhig verhalten hatten. Wie die Gesellschaft mit ihnen umgeht, hat Einfluss. Ein schmerzlicher Gedanke: Manche Explosionsgefahr wäre vielleicht wirklich durch drei Wochen an der See besser zu entschärfen als durch die Reaktionen, die das Recht gebietet.

Gefängnisse als Tankstellen des Hasses

Es gibt keinen anderen Weg, als sehr scharf hinzusehen bei Dschihad-Rückkehrern, sie noch lange im Auge zu behalten, ob mit elektronischen Fußfesseln, wie es seit ein paar Wochen möglich ist, oder auf anderem Wege. Gleichzeitig begibt sich der Staat sofort in Dilemmata. "Brutstätten des Lasters" und "Hochschulen des Verbrechens" nannte der Berliner Strafrechtsprofessor Franz von Liszt, der Cousin des gleichnamigen Komponisten, schon vor hundert Jahren die Gefängnisse. Heute sind es auch Kontaktbörsen der salafistischen Szene. Nicht nur die Führungsriege des IS im Irak und in Syrien hat sich einst in Gefängnissen kennengelernt. In Europa war es zuletzt Anis Amri, der Attentäter von Berlin, der vier Jahre lang in italienischer Haft Hass tankte.

Auch Jugendliche von 16, 17 oder 18 Jahren sind schon strafmündig, und was für ein Signal würde der deutsche Staat aussenden, wenn er ausgerechnet bei Verbrechen der IS-Größenordnung ein Auge zudrücken würde? Andererseits: Für die Wiederkehr junger Dschihad-Bräute in ein "normales", zumindest legales Leben sind die abgeschotteten Soziotope hinter Gefängnismauern der denkbar schlechteste Übungsort.

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