Islamfeindlichkeit in Frankreich:Kreuzzug mit Schwein und Wein

Rechte Franzosen wollen Muslime durch ein Gelage in Paris provozieren - es soll Schweinefleisch und Wein geben. Nicht nur der Bürgermeister rechnet mit Ausschreitungen.

Stefan Ulrich

Ort und Zeit sind perfide gewählt. Ein Bündnis von Franzosen ruft für Freitag zu einer Freiluftparty im Pariser Einwandererviertel La Goutte-d'Or auf. "Saucisson et pinard", Wurst und Wein soll es geben - Schweinefleisch und Alkohol also. Mit dem Gelage wollen die Organisatoren gegen eine Islamisierung des Viertels protestieren. "Ursprüngliche Franzosen" fühlten sich dort nicht mehr zu Hause, sagt eine Frau, die unter dem Tarnnamen Sylvie François im sozialen Netzwerk Facebook zu der Fete aufruft. Man könne hier nicht mehr in Ruhe sein Glas Wein trinken, "und wenn eine Frau kein Kopftuch trägt und ein bisschen elegant gekleidet ist, wird sie schräg angeschaut." Schlimm sei es an Freitagen, wenn betende Muslime ganze Straßen versperrten, diese "Gegner unserer Weine und unserer Wurstwaren".

Islamfeindlichkeit in Frankreich: "Goldtropfen" bedeutet der Name des Viertels und einer gleichlautenden Straße. Das Zusammenleben gestaltet sich weniger harmonisch, als es der Name verspricht.

"Goldtropfen" bedeutet der Name des Viertels und einer gleichlautenden Straße. Das Zusammenleben gestaltet sich weniger harmonisch, als es der Name verspricht.

(Foto: AP)

Die Aktion mag albern wirken, doch sie birgt Sprengkraft. Denn der kommende Freitag ist mehr als nur der wöchentliche Feiertag der Muslime. Es spielt auch noch Algerien bei der Fußballweltmeisterschaft, was die Stimmung in den Einwanderervierteln aufheizt. Zudem jährt sich am Freitag zum 70. Mal der Tag, an dem Charles de Gaulle die Franzosen aufrief, den deutschen Invasoren Widerstand zu leisten. Darauf beruft sich die provokative Party-Bewegung. Frankreich laufe Gefahr, vom Islam erobert zu werden, behauptet die extrem rechte Gruppe Bloc Identitaire - sie benutzt ein Wildschwein als Logo. Nun möchte sie eine neue Résistance einleiten, zunächst einmal mit Schwein und Wein.

Der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë fürchtet Schlimmes: "Alles wirkt so geplant, dass es zu Ausschreitungen und sogar Gewalt kommen muss." Die Polizeipräfektur bestellte daher am Dienstag die Organisatoren ein, am Abend erließ sie ein vorläufiges Verbot des Umtrunks. Die Veranstalter aber wollen sich damit nicht abfinden und die Gerichte anrufen. Falls ihre Fete endgültig untersagt wird, werden sie sicher behaupten, La Goutte-d'Or sei zu einer islamischen Enklave geworden.

"Goldtropfen" bedeutet der Name des Viertels und einer gleichlautenden Straße. Er soll von der Farbe des Weins kommen, der hier einst angebaut wurde. Die Arbeitergegend zwischen dem Montmartre und dem Nordbahnhof gilt traditionell als zwielichtig. Émile Zola wählte sie zum Schauplatz seines Romans Der Totschläger, um anzuprangern, wie soziale Verwahrlosung und der Alkohol die Menschen zerstören. Später wurde die Gegend zur Anlaufstelle armer Einwanderer aus Nord- und Westafrika.

Gläubige Muslime dürften die Massenparty als Schweinerei empfinden

Mit seinen Menschen aus Dutzenden Nationen, nordafrikanischen Lokalen, Halal-Metzgern, die nach islamischen Vorschriften erzeugtes Fleisch verkaufen, Ständen voller exotischer Früchte, muslimischen Gebetshäusern, Obdachlosen, Schwarzhändlern und Drogendealern wirkt La Goutte-d'Or kosmopolitisch und problematisch zugleich. Gewiss gibt es hier viele Missstände, versuchen manche Islamisten, eine Gegenwelt zum laizistischen Frankreich zu schaffen. Ebenso gewiss aber ist, dass eine provokative Massenparty die Lage verschlimmert. Gläubige Muslime dürften sie, um im Bild zu bleiben, als Schweinerei empfinden.

Hasserfüllt und rassistisch sei die geplante Fete, warnt Fadela Amara, die französische Staatssekretärin für Stadtentwicklung. Andere rufen ebenfalls über Facebook zum Gegengelage auf. Statt Schwein und Wein soll es dort Halal-Fleisch und grünen Tee mit Minze geben.

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