Interview am Morgen:"Bei der CSU sind alle Konflikte dramatisch"

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Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und sein möglicher Nachfolger Markus Söder. (Foto: picture alliance / dpa)

Die Sondierungen in Berlin waren gezeichnet vom Machtkampf in Bayern. Im "Interview am Morgen" spricht Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, über Intrigen und Dramen in der CSU.

Von Jana Anzlinger

SZ: Ein Machtkampf zwischen Horst Seehofer und Markus Söder schüttelt die CSU seit Monaten und nun kommt Ilse Aigner mit einem Urwahl-Vorschlag um die Ecke. Was ist da los?

Ursula Münch: In der CSU wächst die Gruppe, die will, dass Horst Seehofer nicht länger Ministerpräsident und Parteivorsitzender ist. Das für CSU-Verhältnisse grauenhaft schlechte Ergebnis der Bundestagswahl hat diese Gruppe gestärkt. Sie sieht Markus Söder als den idealen Nachfolger. Er hat Machtwillen und kann gut reden, den kann man ins Bierzelt stellen und in eine Talkshow setzen. Aber Seehofer misstraut Söder. Er hält ihn für einen Intriganten, bei dem weder die Partei noch der Freistaat gut aufgehoben wären. Weil er Söder verhindern will, klammert sich Seehofer an die Macht. Beim Vorstand rennt er damit offene Türen ein ...

... und zwar auschließlich offene Türen. Generalsekretär Scheuer, Landesgruppenchef Dobrindt, Partei-Grande Waigel: Alle gehören zu Team Seehofer . Der hat also nichts zu befürchten, oder?

Im Vorstand sitzen tatsächlich keine Söderisten mehr, seit Peter Gauweiler zurückgetreten ist. Aber in der CSU sind Parteivorstand und Landtagsfraktion entzweit. Und die einflussreiche Landtagsfraktion ist es, die Seehofer gefährlich werden könnte. Er ist Bundespolitiker und hatte im bayerischen Landtag noch nie viele Freunde. Er vermittelt den Eindruck, dass er die Landespolitiker nicht für die Allerhellsten hält. Einige von denen wollen sich rächen. Die Sondierungen haben den Graben in der CSU vertieft. Die Fraktion fürchtet ein Scheitern bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. Sie war, um die Glaubwürdigkeit der Partei zu bewahren, von Anfang an gegen inhaltliche Zugeständnisse bei den Sondierungen, was zum Beispiel Migrationspolitik betrifft.

Union, FDP und Grüne haben gegensätzliche Ideen von Sozialpolitik und Wirtschaftssystem. Warum ist ausgerechnet Familiennachzug so ein Knackpunkt geworden?

Am Thema Familiennachzug kann man die Kontroversen in der Migrationspolitik so schön zuspitzen. Eigentlich geht es nicht um die paar Familien, sondern es geht darum, wie offen oder geschlossen Deutschland sein soll. Flüchtlingspolitik beschäftigt die Menschen. Und die Christsozialen haben in der Migrationspolitik schon immer Positionen rechts der Mitte eingenommen. Die CSU ist nicht nach rechts gerutscht, die CDU ist in die Mitte gerutscht. Ich habe in den 80ern meine Magisterarbeit über Asylpolitik geschrieben. Mir hat es damals gegraust, wenn ich gelesen habe, wie Unionspolitiker über Asylbewerber gesprochen haben.

Der Konflikt zwischen Söder und Seehofer schwelt seit Monaten und wirkt nach außen hin äußerst dramatisch. Ist die CSU ein Intrigantenstadl?

Bei der CSU sind alle Konflikte dramatisch, man hat immer das Gefühl, es geht um alles. Die Messlatte hängt hoch, weil die CSU in Bayern viel zu verlieren hat. Sie hat nicht bemerkt, dass die Regeln des Parteienwettbewerbs inzwischen auch für sie gelten. Seehofer hat zu mir gesagt: "Och, ihr Politikwissenschaftler prophezeit uns immer den Untergang, dabei haben wir bei der letzten Landtagswahl wieder die absolute Mehrheit bekommen." Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Aigner hat nun eine Urwahl des Spitzenkandidaten für die Landtagswahl ins Gespräch gebracht. Kann mehr innere Demokratie die Probleme der CSU lösen?

Bei den meisten Parteien entscheiden Delegierte oder Vorstände. Da die CSU sonst für Bürgerbeteiligung eintritt, wäre es konsequent, die Mitglieder in einer so zerspaltenen und zerklüfteten Situation selbst entscheiden zu lassen. Aber das kann eine Partei nicht nur einmal machen, das hätte sie für immer an der Backe. Und wer entscheidet, wie entschieden wird? Wer bestimmt das Prozedere, wer sucht die Kandidaten aus, die zur Wahl stehen? Das muss man erst mal ausbaldowern - was Konfliktpotenzial birgt und lange dauern würde. Sowieso kommt Aigners Vorschlag viel zu spät. Nein, das wird sich alles beim Parteitag Mitte Dezember entscheiden.

Wie könnte diese Entscheidung ausfallen?

Söder wollte noch nie gegen Seehofer antreten. Eine häufig genannte Lösung ist, dass Seehofer Landesvorsitzender bleibt und Söder als Ministerpräsident kandidiert. Aber diese Idee krankt am Streit zwischen Söder und Seehofer. Es geht ja nicht, dass Ministerpräsident und Parteivorsitzender kein Wort miteinder reden. Vielleicht sollte beim Parteitag ein Mediator vorbeikommen.

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