Reaktionen auf Guttenbergs Interviewbuch:"Ist der entrückt?"

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Viele ziehen nur noch die Augenbrauen hoch über Guttenbergs öffentliche Äußerungen - und wundern sich. Manche Parteifreunde sind dagegen erzürnt, vor allem über die Kritik des Ex-Ministers an der CSU. Auch diejenigen, die ganz ernsthaft auf dessen spätere Rückkehr gesetzt haben.

Stefan Braun und Frank Müller

Vorsicht ist an diesem Morgen oberstes Gebot für Gerda Hasselfeldt. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe will keinen Fehler machen, keinen Wirbel auslösen, jede Provokation vermeiden. Und deshalb wäre es ihr wohl am liebsten, zu Karl-Theodor zu Guttenberg gar nichts sagen zu müssen. Das freilich geht nicht an so einem Tag, an dem Guttenbergs Werk auf den Markt kommt. Zu deutlich ist seine Kritik an der eigenen Partei, und zu schmerzlich klingt das für viele, die ihn bis jetzt für einen Mitstreiter gehalten haben.

Das gilt auch für die 61-jährige Hasselfeldt. Und doch bleibt die Bundestagsabgeordnete, die grundsätzlich von sehr freundlicher Natur ist, in ihrem Urteil über den berühmt-berüchtigten Parteifreund höflich. Nein, sie könne die Kritik über die CSU nicht nachvollziehen, sehe seine Einschätzung über das Ende der eigenen Volkspartei ganz anders. Aber er gehöre weiter zur CSU - und deshalb seien ihm nach wie vor alle Türen offen. Im Übrigen bleibe sie immer aufgeschlossen für Menschen, die sich in ihrer CSU engagieren möchten.

Hasselfeldt, das wird deutlich, ist alles andere als begeistert über Guttenbergs Auftritt. Aber sie will nicht endgültig über ihn urteilen. Und sie vermeidet es sehr entschieden, die Stimmung, die sich bei anderen CSU-Kollegen breit macht, wiederzugeben. "Ich zähle das nicht, ich frage das nicht ab, ich bilde mir meine eigenen Meinung." Was er vorhabe? Das sei derzeit nicht das Thema und werde erst wieder relevant, wenn er zurückkehre. Vorerst gelte, dass er "nicht da ist".

Viele schaudert es vor Guttenbergs Auftritt

Das stimmt rein räumlich für einen, der in den USA lebt. Doch Guttenbergs Buch schlägt große Wellen, sei es in Berlin, sei es in München. Offiziell äußern sich nur ganz wenige. Sobald aber die Mikrofone aus sind, ist das anders, ob bei Christsozialen oder Christdemokraten. "Bemerkenswert" ist dabei das beliebteste Wort, weil es neutral daherkommt. Tatsächlich hat es sich zum Synonym dafür entwickelt, dass die meisten gespannt in die Zeitungen schauen und dann die Augenbrauen hochziehen. Viele schaudert es, weil sie so einen selbstbewussten Auftritt so früh nicht erwartet hätten. "So aggressiv - das verstehe ich nicht, das hat er gar nicht nötig", sagt ein Kabinettsmitglied der CSU. "Wir sind deshalb alle erst mal ziemlich sauer."

Diese Sicht der Dinge haben in diesen Tagen nicht etwa jene, die Guttenberg schon vor seinem Abschied für allzu selbstbewusst gehalten haben. Es sind diejenigen, die ganz ernsthaft auf eine spätere Rückkehr des einstigen Hoffnungsträgers gesetzt haben und jetzt von erheblichen Zweifeln befallen werden, wie er das mit so einem Tonfall eigentlich erreichen möchte. "Ist der entrückt?", lautet entsprechend oft die Frage. Und dabei gibt es bis ins Bundeskabinett hinein Unionisten, die Guttenberg - fast ein bisschen neidisch - für eigentlich unverzichtbar erachten. Ein prominenter CSU-Bezirksvorsitzender mit Arbeitsplatz in Berlin sagt: "Er hat Talent, er hat enorme Bindekraft, er wäre eine ganz wichtige Figur. Warum dieser Zeitpunkt? Warum zur eigenen Dissertation wieder nur Ausflüchte?"

Fragen sind das, die in Berlin wie in Bayern gestellt werden, auch wenn es im Süden ein klares Regionalgefälle gibt: In Guttenbergs Heimat würden ihn die Parteifreunde gerne wieder als Bundestagskandidaten sehen, in der Münchner Zentrale fällt kaum ein positives Wort über ihn. Als Chefkritiker seines eigenen früheren Generalsekretärs zeigt sich am Dienstag erneut Horst Seehofer. Der Parteichef ringt sich zwar zu Worten durch, die wie eine Einladung klingen und an seine frühere Wortwahl erinnern. Guttenberg gehöre dazu und solle " auch bei uns wieder mitmachen". Allerdings folgt dann ein Zusatz, der Distanz schafft: "Aber bitte nicht in diesem Stil."

Selbstbewusst meldet sich Karl-Theodor zu Guttenberg mit einem Buch zurück, doch viele in der Union verwundert sein aggressiver Ton. (Foto: dpa)

Wie tief der Graben zwischen beiden ist, zeigt die Mischung aus Sarkasmus und Häme, die Seehofer über Guttenberg ausbreitet. Auf seine Kritik habe Guttenberg noch nicht reagiert, spottet Seehofer und nennt das "ein gutes Zeichen". Auf die Frage, ob er Guttenbergs Buch lesen wolle, breitet Seehofer in der Lobby des Landtags die Arme weit auseinander: So groß seien die beiden Bücherstapel, die er sich im Büro und Zuhause für die Weihnachtstage zurecht gelegt habe. "Das wird nicht mehr ergänzt."

Nichts gelernt

Fürs erste also haben sie erstmal genug gelesen von ihrem früheren Hoffnungsträger. Und die Angriffe auf die CSU wollen sie sich auf keinen Fall bieten lassen. "Wenn's um meine politische Familie geht und um meine Partei, die ein nicht mehr zu überbietendes Maß an Kollegialität gezeigt hat, dann gehört das zur Selbstachtung", sagt Seehofer.

So weit wie andere will er freilich nicht gehen. Es gibt nämlich auch jene, die Guttenberg spätestens seit diesem Buch für einen chronischen Fall halten. "Er hat nichts gelernt, er ist so voller Hybris", heißt es bei nicht nur einem Christdemokraten. Die meisten "staunen, beobachten und sind irritiert", wie sie es beschreiben. Ein CDU-Bundesminister ergänzt allerdings, er könne in der aggressiven Tonlage nur eines erkennen: "Totale Erschöpfung." Da gebe es kein Lernen, kein Aufarbeiten des Scheiterns. "Ich kann da keine neue Stärke erkennen."

© SZ vom 30.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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