Großbritannien und EU:Der Brexit wird nicht einfacher

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Endlich gibt es einen ersten Deal in den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien, mit dem der Austritt der Briten näher rückt. Doch die Probleme fangen jetzt erst an.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Die Nacht war lang, das sieht man Michel Barnier an. Es ist 9.47 Uhr, der EU-Chefunterhändler steht an diesem Freitagmorgen im Pressesaal der Europäischen Kommission. Er wirkt müde, wenn auch ein wenig aufgeputscht, schließlich hat er sein Ziel erreicht: Es gibt einen Deal. Die EU ist bereit für die zweite Phase der Brexit-Verhandlungen. Von nun an kann die Regierung in London mit Barnier an dem arbeiten, worauf sie schon so lange dringt: ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union, der Großbritannien am 30. März 2019 nicht mehr angehören wird.

Barnier dankt erst einmal seinen britischen Verhandlungskollegen. Dann berichtet er durchaus stolz über das Erreichte. Eine Einigung in allen drei Punkten, die für den Deal nötig waren: die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien, die finanziellen Verpflichtungen des Königreichs beim EU-Austritt und eine Lösung der heiklen Irland-Frage.

Großbritannien und EU
:Erster Durchbruch bei Brexit-Verhandlungen

Die britische Premierministerin May und EU-Kommissionspräsident Juncker haben in Brüssel große Streitpunkte geklärt. Zwischen Irland und Nordirland soll es keine "harte Grenze" geben.

Rückblick. Es ist kurz vor sieben Uhr an diesem Morgen, als die britische Premierministerin Theresa May in das Berlaymont-Gebäude in Brüssel kommt und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker trifft. Dessen Kabinettschef Martin Selmayr verschickt kurz darauf ein Bild auf Twitter: ein Schornstein mit weißem Rauch, weiter nichts. Die Symbolik ist klar: es gibt ein positives Ergebnis, wie bei einer erfolgreichen Papstwahl.

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Die Staats- und Regierungschefs der EU können froh sein. Ihnen bleibt ein Brexit-Showdown beim EU-Gipfel in einer Woche erspart. Den "Heads", wie man sie in Brüssel nennt, obliegt es, die sogenannten Guidelines für die nächste Verhandlungsphase zu beschließen. EU-Ratspräsident Donald Tusk macht aber schon an diesem Freitag klar: "Eine Trennung ist hart. Aber nach der Trennung eine neue Beziehung aufzubauen, ist noch viel härter." Bis ein umfassendes Handelsabkommen wirklich steht, dürften noch Jahre vergehen. Tusk bietet May deshalb eine Übergangsphase nach dem offiziellen Austrittsdatum an. In dieser Zeit soll Großbritannien weiter alle Vorgaben der EU-Mitgliedschaft wie bisher erfüllen, aber kein Mitspracherecht über Entscheidungen mehr haben. "Wir haben unsere Bedingungen", sagt Tusk.

Bleibt die EU weiterhin so geschlossen?

Das ist dann auch die Botschaft an diesem Freitag in Brüssel: Einfacher wird es jetzt nicht - ganz im Gegenteil. Die EU bleibt hart. Ob sie auch weiter so geschlossen agiert, ist offen. Bislang hatten alle 27 EU-Staaten dasselbe Interesse; bei einem Abkommen über die künftige Beziehung sieht das anders aus. Gerade die wirtschaftsstarken Nationen wie die Niederlande oder Deutschland haben andere Interessen als etwa Griechenland oder Bulgarien.

Für May ist der Deal ein Erfolg - den sie in Brüssel auch ein bisschen auskostet. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Juncker sichert die Premierministerin am Freitagmorgen zu, dass es durch den Brexit "keine harte Grenze" mit strengen Pass- und Zollkontrollen zwischen Irland und Nordirland geben wird. Sie und der irische Premierminister Leo Varadkar hätten sich dazu verpflichtet, dass "keine Barrieren" zwischen den beiden Gebieten errichtet würden. "In Nordirland werden wir garantieren, dass es keine harte Grenze geben wird", sagt May. An dem Karfreitagsabkommen, das 1998 den blutigen Nordirlandkonflikt beendet hatte, werde festgehalten. May verspricht: "Dadurch werden wir weiter die verfassungsmäßige und wirtschaftliche Integrität des Vereinigten Königreichs bewahren."

Eines ist in der Irland-Frage weiter offen. Großbritannien will aus dem europäischen Binnenmarkt und der Zollunion austreten - aber wie soll dann eine harte Grenze verhindert werden können? Im gemeinsamen Bericht der Verhandlungsparteien steht, dass zumindest für Nordirland alle Regeln des Binnenmarkts und der Zollunion weiter gelten sollen, wenn es zu keiner Lösung der "hard border"-Frage kommen sollte. Das könnte für May zu einem großen innenpolitischen Problem werden. Denn sowohl Schottland als auch die Stadt London wollen am liebsten weiter Teil des EU-Binnenmarkts bleiben.

Die Irland-Frage war neben der Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei der Rechtsprechung für in Großbritannien lebende EU-Bürger der Knackpunkt. Das Geld war ausnahmsweise mal kein Problem. Die weiteren Weichen für den Brexit müssen die Staats- und Regierungschefs in einer Woche beim EU-Gipfel stellen. Theresa May jedenfalls rechnet damit, dass dies gelingen wird, denn eines sei klar: "Wir werden die EU verlassen."

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