Gespräche in Sotschi:Ein Treffen, das nicht zu harmonisch wirken soll

Lesezeit: 4 min

  • Russlands Präsident Putin empfängt Kanzlerin Merkel zu Gesprächen in Sotschi.
  • Wichtigste Themen sind dabei die Konflikte in Syrien und der Ostukraine.
  • Während Putin die Probleme eher kleinredet, passt die Kanzlerin sehr genau darauf auf, das Treffen nicht zu harmonisch wirken zu lassen.
  • Vor allem beim Thema Ukraine haben beide sehr unterschiedliche Auffassungen.

Von Nico Fried, Sotschi

Am Anfang klingt alles so, als wäre es ein ganz normales Verhältnis, das sich prächtig entwickelt: Wladimir Putin preist die wirtschaftliche Kooperation zwischen Deutschland und Russland. Der Handel sei zuletzt wieder deutlich gestiegen, Russland liefere 35 Prozent des Gases für den deutschen Markt, Deutschland wiederum sei der größte Investor in Russland. Sanktionen? Gibt es nicht im Wortschatz des russischen Präsidenten, nur "einige Schwierigkeiten".

Angela Merkel hört sich das alles an. Wenn ein Verhältnis normal ist, dann nickt sie oft zu dem, was andere Staats- und Regierungschefs sagen. Wenn es richtig gut läuft, lächelt sie sogar gelegentlich. An diesem Tag in Sotschi, zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz, schaut sie Putin zwar fortwährend an, aber eher konzentriert, damit ihr kein Wort entgeht, auf das sie reagieren muss, damit nicht der Eindruck entsteht, sie stimme mit Putins Aussagen überein. Und solche Schlüsselworte kommen in den nächsten Minuten einige.

Merkel ist um 14.01 Uhr auf dem Feriensitz des Präsidenten am Schwarzen Meer vorgefahren, eine Minute Verspätung. Putin empfing sie mit freundlichem Lächeln. Es ist schon als Akt der Wertschätzung zu vermerken, dass der russische Präsident die Kanzlerin nicht warten ließ, wie er es sonst gelegentlich tut. Selbst beim Papst. Die Begrüßung vor laufenden Kameras verlief mit sehr knappen Statements geschäftsmäßig, auffallend kurz und somit, wie es ein Diplomat ausdrückte, "dem Zustand der Beziehungen angemessen".

Die russische Nachrichtenagentur Tass hat nachgezählt: Das Treffen in Sotschi ist demnach die 25. offizielle Begegnung der beiden in den Zeiten, in denen Putin Präsident war. Hinzu kommen noch viele kurze und längere Gespräche am Rande von internationalen Gipfeltreffen. Und natürliche unzählige Telefonate vor allem seit Beginn der Ukraine-Krise. "Wir sind im ständigen Austausch", sagt Putin in Sotschi selbst. Merkel findet, es gebe "gravierende Meinungsverschiedenheiten", aber internationale Politik bestehe eben darin, "immer wieder das Gespräch zu suchen". Merkel und Putin sind Konstanten in der internationalen Politik. Mit der Zahl der gemeinsamen Jahre ist freilich auch die Zahl der Probleme gestiegen. Und bei keinem der großen Themen gibt es derzeit Aussicht auf Erfolg, auf eine gemeinsame Lösung.

Mühselig, sagt Merkel, gehe es in der Ukraine voran. Das dürfte eine Übertreibung sein

Am stärksten belastet die Ukraine-Krise das bilaterale Verhältnis. Es gibt das Minsker Abkommen, das den Konflikt beilegen soll und an dem neben Russland, der Schutzmacht der Separatisten im Donbass, und Deutschland auch Frankreich und die Ukraine mitgewirkt haben. Alle bekennen sich immer wieder zur Umsetzung des Abkommens. Aber umgesetzt ist es deshalb noch lange nicht. Im Gegenteil.

"Mühselig" sei der Prozess, sagt Merkel wiederholt in Sotschi, und Fortschritte gebe es nur "in kleinen Schritten", was fast noch eine positive Übertreibung ist. Letztlich komme man immer wieder an einen Nullpunkt, räumt die Kanzlerin selbst ein, weil es nicht gelinge, einen Waffenstillstand dauerhaft einzuhalten. Sie sei auch nicht zufrieden mit der Situation, weil immer mehr "Trennungstendenzen" zwischen dem Donbass und der Ukraine erkennbar seien. Deshalb richte sie ausdrücklich die Bitte an Putin, auf die Separatisten einzuwirken, sich an die Waffenruhe zu halten. Andernfalls habe es auch die ukrainische Regierung schwer, Kompromisse gegenüber der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Ziel bleibe es, die Minsker Vereinbarung so umzusetzen, dass "wir auch zu einer Aufhebung der Sanktionen kommen können". Sanktionen - so ist denn das Wort doch noch untergebracht. Damit die Sache nicht zu harmonisch wirkt.

Wie weit der Weg dahin ist, wird sofort deutlich. Putin sieht die Lage in der Ukraine ganz anders. Er wird jetzt grundsätzlich. Die Krise sei das Ergebnis eines Staatsstreiches in Kiew gewesen, hebt er an. Merkel hört zu. Einmal geht ihr Blick auf den Boden, später an die Decke. Vermutlich denkt sie darüber nach, wie ausführlich sie gleich entgegnen wird. Als Putin schließlich sagt, die ukrainische Regierung habe die Chance verstreichen lassen, Minsk zu einem Erfolg zu führen, entschließt sie sich zu einer kurzen, aber eindeutigen Antwort: "Wir sind unterschiedlicher Meinung, was die Ursachen des Konfliktes betrifft", sagt die Kanzlerin. "Unbeschadet dieser Tatsache haben wir ein Format geschaffen, um eine weitere Eskalation zu verhindern." Und so sind sich Putin und Merkel schließlich zumindest in einem Punkt einig: Ohne das Minsker Abkommen wäre die Lage in der Ukraine noch viel schlimmer. Deshalb lehnen es beide auch ab, über eine neue Vereinbarung zu verhandeln. "Es fehlt an der Umsetzung", sagt die Kanzlerin, "nicht an Abkommen."

Syrien. Noch so ein Thema. Merkel hat in der Vergangenheit Russland in für sie ungewöhnlicher Weise eine Mitverantwortung für den Krieg gegeben. Viel sagen beide nicht dazu. Der russische Präsident will helfen, einen Waffenstillstand zu sichern. Er bekennt sich zu sämtlichen internationalen Formaten der Verhandlungen. Er hoffe, dass man mit den Amerikanern zu einer guten Zusammenarbeit kommen werde. "Dieser Konflikt ist ohne die USA nicht zu lösen", sagt Putin.

Merkel sieht das genauso. Doch Donald Trump und Putin haben sich noch nicht getroffen. Nach Merkels Abreise war ein Telefonat der beiden Präsidenten geplant. Es soll auch um eine erste Begegnung gehen. Auf jeden Fall würden sich die beiden nach jetziger Planung Anfang Juli in Hamburg auf dem G-20-Gipfel sehen, wobei das Merkel wohl gar nicht so recht wäre, zöge eine solche Premiere doch allerhand Interesse von ihrem letzten internationalen Gipfeltreffen vor der Bundestagswahl ab.

Die Wahlen, natürlich kommt die Rede auch auf die Vorwürfe, Russland habe die US-Präsidentschaftswahlen beeinflusst. Ob sie das auch für Deutschland fürchte, wird Merkel gefragt. "Ich gehöre nicht zu den ängstlichen Menschen", sagt sie. Putin grinst schon, als er die Frage hört. Das seien alles nur unbewiesene Behauptungen. Russland mische sich "nie" in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. Die Kanzlerin verzichtet darauf, das zu kommentieren. Vielleicht sagt sie beim 26. Treffen etwas dazu, irgendwann.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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