Geiseldrama in Algerien:Soldaten entdecken weitere Leichen

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Ein Standbild des algerischen Fernsehsenders Ennahar TV zeigt eine Gruppe von Geiseln, die sich den Islamisten ergeben. (Foto: AFP)

Bisher sprach Algeriens Regierung von 23 getöteten Geiseln, doch diese Zahl könnte sich dramatisch erhöhen: Algerische Truppen haben nach dem Geiseldrama in der Gasanlage In Amenas 25 weitere Tote gefunden. Die algerische Regierung befürchtet, dass die endgültige Zahl der Opfer noch höher liegen könnte.

Beim Geiseldrama in der algerischen Wüste sind mehr Menschen ums Leben gekommen, als bisher angenommen. Einen Tag nach dem blutigen Ende der Terroraktion fanden algerische Spezialeinheiten am Sonntag weitere 25 Tote in der Gasförderanlage In Amenas im Osten des Landes. Es ist noch nicht bekannt, ob es sich dabei um weitere von den Islamisten getötete Geiseln handelt.

Damit erhöht sich die Zahl der Todesopfer auf mindestens 80. Im algerischen Radio zeigte sich Kommunikationsminister Mohamed Said "sehr besorgt", dass diese Zahl noch weiter nach oben korrigiert werden müsse. Bisher ist unter anderem noch das Schicksal von drei britischen und fünf norwegischen Geiseln unklar.

Mit der Erstürmung der Industrieanlage in der Wüste hatte die algerische Armee am Samstag die Geiselnahme durch islamische Terroristen blutig beendet. Vor dem letzten Angriff sollen die Islamisten noch sieben ausländische Geiseln ermordet haben. Die Geiselnahme war seit Monaten für den Fall vorbereitet, dass Algerien dem Drängen Frankreichs nach Unterstützung im Mali-Krieg nachgibt.

Der mutmaßliche Drahtzieher der Aktion, der algerische Dschihad-Führer Mokhtar Belmokhtar, soll sich nun auch offiziell zu dem blutigen Geiseldrama auf der Gasförderanlage bekannt haben, berichtet die Agentur Reuters unter Berufung auf eine mauretanische Webseite.

Nach einer ersten Bilanz der algerischen Regierung konnten sich 685 algerische Beschäftigte und 107 ausländische Mitarbeiter während des mehrtägigen Dramas selbst retten oder befreit werden. 32 Terroristen waren nach diesen früheren Angaben getötet worden - die Zahl der toten Geiseln lag bis dahin bei 23. Nach algerischen Angaben wurden 56 Verletzte bereits aus dem Krankenhaus entlassen.

Mehrere Europäer unter den Opfern

Die Nationalitäten der Opfer sind weiter unklar. Laut britischem Premierminister David Cameron sind mindestens drei Briten ums Leben gekommen. Vermutlich gebe es drei weitere Tote, sagte Cameron am Sonntag. Zudem gebe es ein Opfer, das ohne britische Staatsbürgerschaft in Großbritannien gelebt habe. Frankreich, die USA und Rumänien bestätigten jeweils den Tod eines Staatsbürgers. Zwei überlebende Algerier sagten der Nachrichtenagentur AFP, die Angreifer hätten neun Japaner erschossen. Das japanische Außenministerium wollte sich dazu nicht äußern.

Mindestens 52 Philippiner haben nach Angaben der dortigen Regierung die Geiselnahme überlebt. Es sei aber noch unklar, ob es Philippiner unter den Opfern gebe. Laut rumänischem Außenministerium kamen drei Rumänen frei.

Spezialisten aus Norwegen suchten auf dem Gasfeld nach fünf Vermissten aus dem eigenen Land. Nach wie vor bestehe Hoffnung, Betroffene lebend zu finden, teilte das Außenministerium im Rundfunksender NRK mit. Ministerpräsident Jens Stoltenberg hatte zuvor gesagt, auch die Menschen in seinem Land müssten sich auf Nachrichten über mögliche Tote einstellen.

Zwei deutsche Mitarbeiter einer Bohrfirma, die sich mehrere Kilometer von In Amenas entfernt an ihrem Einsatzort befanden, wurden am Samstag aus Algerien ausgeflogen. Die letzten Tage hätten sie an einem sicheren Ort in der Obhut algerischer Sicherheitskräfte verbracht, berichtete das Auswärtige Amt.

Algerien erhält internationale Rückendeckung

Nach anfänglicher Kritik am Vorgehen der algerischen Armee gab es nach Abschluss der Aktion viel internationale Unterstützung. US-Präsident Barack Obama machte die Geiselnehmer für das Blutvergießen verantwortlich. "Die Schuld an dieser Tragödie liegt bei den Terroristen, die sie verursacht haben", hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Die USA arbeiteten weiterhin mit ihren Partnern eng zusammen, um die "Geißel des Terrorismus" in der Region zu bekämpfen.

Auch der britische Regierungschef David Cameron sieht die Verantwortung für die Taten allein bei den Terroristen. Mit Blick auf Kritik am Eingreifen des algerischen Militärs sagte er: "Es ist sehr schwierig, auf solche Situationen zu reagieren und alles richtig zu machen." Frankreichs Präsident François Hollande verteidigte die Befreiungsaktion ebenfalls. Bei einem Geiseldrama mit so kaltblütigen Terroristen, die zum Töten bereit sind, habe ein Land wie Algerien keine andere Wahl gehabt, sagte Hollande.

Die Regierung in Oslo stellte sich ausdrücklich hinter die letzte Militäraktion. Außenminister Espen Barth Eide sagte: "Wir haben Grund zu der Annahme, dass die algerischen Einsatzkräfte so lange mit ihrem Eingreifen gegen die Terroristen gewartet haben, wie das möglich war."

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/mahu/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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