Gehalt:Polizei-Gewerkschafter Wendt log vor laufender Kamera

hart aber fair

Polizei-Gewerkschafter Wendt und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in einer Talkshow

(Foto: dpa)
  • Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, wurde jahrelang vom Land NRW bezahlt, obwohl er überhaupt nicht als Polizist arbeitete.
  • In einem Interview darauf angesprochen, log Wendt zuerst, um sein Zweitgehalt später doch einzuräumen.

Von Oliver Das Gupta

Rainer Wendt hält sich für ein "lebhaftes, cleveres Kerlchen", so beschrieb er sich im Spiegel vor ein paar Wochen. Lebhaft, aber ganz und gar nicht clever hat sich der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in einer delikaten Causa verhalten. Es geht um sein Gehalt, genauer: sein zweites Gehalt.

Denn Wendt kassierte bei der Gewerkschaft und er kassierte auch beim Staat. Im Gespräch mit dem ARD-Politikmagazin Report München räumte er das ein. Ja, er bekomme eine Besoldung als Hauptkommissar, obwohl er diese Tätigkeit nicht ausführe, von einer "Teilzeit-Beschäftigung" ist die Rede. Wendt ist also ein Arbeitnehmervetreter, der sich auch von seinem Arbeitgeber bezahlen lässt. Das ist nicht Usus: Anders als Wendt empfängt der oberste Vertreter der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei laut ARD kein Gehalt vom Staat. Wie es zu dieser Ungleichbehandlung kam, ist bislang unklar. Auf weitergehende SZ-Anfragen hat das nordrheinwestfälische Innenministerium bislang nicht reagiert.

Die Enthüllung zu Wendts doppeltem Gehalt allein ist Stoff genug für einen Aufreger. Bei Wendt ist der Resonanzraum groß. Der DPolG-Chef posaunt nämlich bislang als Law-and-Order-Saubermann seine Ansichten in die Republik hinaus. Wendt selbst ist dem Spiegel zufolge Mitglied von CDU und CSU. Oft klingt er nach AfD, die er für "europäische Normalität hält". Seine Klage über die "kaputtgesparte Polizei" wirkt nach seinem Eingeständnis doppelzüngig. Denn nun weiß die Öffentlichkeit, dass der Staat bei Rainer Wendt ganz und gar nicht gespart hat.

Doch damit nicht genug: Wendt verschlimmerte seine Lage, denn sein Eingeständnis kam erst beim zweiten Anlauf zustande. Beim Besuch des ARD-Teams log "Deutschlands bekanntester Polizist" (Bild-Zeitung) zunächst in die laufende Kamera, genauer: Er log dreimal hintereinander.

Wendt sagte, er sei bei der Landesoberbehörde in einem "besonderen Beschäftigungsverhältnis".

Reporter: "Sie bekommen aber kein Gehalt, oder?"

Wendt: "Nein, ich bekomme mein Gehalt hier von der Gewerkschaft."

Reporter: "Sie bekommen dort, von Ihrer Dienststelle, bei der Sie teilzeitbeschäftigt sind, kein Geld?"

Wendt: "Nein."

Reporter: "Sicher nicht?"

Wendt: "Nein."

Unmittelbar nach dem Interview - das ARD-Team hatte das Gebäude schon verlassen - rief nochmal Wendt an: Er habe nicht die ganze Wahrheit gesagt, soll er den Reportern gestanden haben. Also gingen die Journalisten zurück. Wendt saß wieder in seinem Büro und sagte nun, er beziehe bei der Landesbehörde "noch ein Teilweise-Gehalt". Was er für dieses Geld mache, fragte der Reporter. "Ich repräsentiere meine Gewerkschaft, mit Billigung meines Ministers und meiner Behörde mache ich meine Arbeit hier."

"Hier muss die Landesregierung für umfassende Transparenz sorgen"

Wendts Minister heißt Ralf Jäger, er leitet das Innenressort in Düsseldorf und ist von der SPD. Bislang äußerte sich Jäger "aus Zeitgründen" nicht dazu, allerdings bestätigte sein Ministerium Wendts Angaben. Demnach wurde die Praxis unter Jägers Amtsvorgänger Ingo Wolf (FDP) eingeführt.

Nun prasselt Kritik auf Wendt - ungeachtet von Jägers Parteizugehörigkeit und der Tatsache, dass in Düsseldorf eine rot-grüne Koalition regiert. Cem Özdemir sagte der SZ, eine solche Doppelbezahlung sei inakzeptabel und er forderte Aufklärung, wie es bei Wendt dazu kommen konnte und ob es weitere Fälle gebe. "Hier muss die Landesregierung für umfassende Transparenz sorgen", sagte Özdemir. Ralf Stegner, der stellvertretende SPD-Chef, warf Wendt vor, mit der "Wahrheit auf Kriegsfuß" zu sein. Und Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte, Wendt erinnere ihn an das Kinderbuch "Die Raupe Nimmersatt".

Ob Wendt zunächst gedacht hat, dass die Journalisten seine Lügen vor laufender Kamera glaubten, ist unklar. Klar ist allerdings, dass der 60-Jährige seinen Funktionärsposten behalten will. Wendt hat bei der Polizei nach dem Interview eilig seine vorzeitige Pensionierung beantragt. Das nun fehlende zweite Gehalt dürfte er verschmerzen können. Denn er hat vor ein paar Monaten das Buch "Deutschland in Gefahr" veröffentlicht, das zum Bestseller avanciert ist.

Darin klingt er teilweise wie ein Rechtspopulist. Wendt schwadroniert über "Verteilungskämpfe" zwischen "uns" und den "Fremden". Wendt zweifelt daran, dass Deutschland ein Rechtsstaat ist. Er behauptet, "die Hälfte der Deutschen hat es satt, als Nazis abgestempelt zu werden" - wobei nicht ganz klar ist, wer da angeblich stempelt. Solche Sprüche kommen bei der AfD prima an, AfD-Chefin Frauke Petry pries Wendt für seinen "Klartext".

Der Polizeigewerkschaftler schreibt in seinem Buch auch, dass der Staat zu lasch sei. Mit Blick auf seine eigene Person könnte das schon stimmen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: