Kein Dienst, keine Streifen-Fahrten, die meiste Zeit dürfte Rainer Wendt nicht mal in Nordrhein-Westfalen gewesen sein - trotzdem erhielt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) offenbar über Jahre hinweg einen Beamtensold von dem Bundesland. Im Umfeld des Düsseldorfer Innenministeriums wurde am Samstag bestätigt, dass die Doppel-Bezahlung des Gewerkschafters dort toleriert worden sei.
Zuerst hatte das ARD-Politikmagazin Report München über die Zahlungen berichtet. Demnach hatte Wendt kurz vor seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem nordrhein-westfälischen Polizeidienst eingeräumt, dass er eine Besoldung als Hauptkommissar bekomme, obwohl er diese Tätigkeit nicht ausübe. Der 60-Jährige hatte Ende Februar einen Antrag auf vorzeitigen Ruhestand gestellt, dem das Land NRW entsprochen habe. Vorsitzender seiner Gewerkschaft wollte Wendt aber bleiben.
Nach Angaben des NRW-Innenministeriums war bereits vor mehr als zehn Jahren von der damaligen Spitze des Hauses die Zusage zur faktischen Freistellung Wendts erteilt worden. Wie der Gewerkschafter Report München sagte, sollte durch seine Besoldung die DPolG unterstützt werden, da diese bei den Personalratswahlen nicht genug Stimmen bekommen hatte, um eine Freistellung von Personalräten zu erreichen. Wendt wurde demnach 2010 vom Polizeipräsidium Mönchengladbach ins Landesamt für Polizeiliche Dienste in Duisburg versetzt und dort zum Hauptkommissar befördert. Der Beamte hatte nach eigenen Angaben eine Teilzeitstelle auf der Basis von 28 Wochenstunden, heißt es weiter. "Natürlich arbeite ich dort nicht aktiv", sagte Wendt dem Magazin.
Heftige Kritik - auch am Ministerium
Nach Bekanntwerden der Bezahlung ohne Gegenleistung steht Wendt nun in der Kritik. "Große Töne spucken - aber mit der Wahrheit auf Kriegsfuß", kritisierte etwa der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner auf Twitter. Der Thüringer Regierungschef Bodo Ramelow schrieb, ihm falle dazu das Kinderbuch "Die Raupe Nimmersatt" ein. Und die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: "Der wohl lauteste Mahner für mehr Law and Order nimmt es in eigener Sache wohl nicht so genau."
Doch auch die Besoldungs- und Freistellungspraxis des nordrhein-westfälischen Innenministeriums müsse hinterfragt werden, hieß es. "Es braucht jetzt maximale Transparenz und Aufklärung in dieser Sache", sagte etwa Mihalic. Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Frank Tempel, forderte noch weitergehende Konsequenzen: "Wenn das so stimmt, dann wäre der Straftatbestand der Untreue zu prüfen", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Und die Untreue geht von dem aus, der das Geld auszahlt und die Auszahlungen legitimiert, also vom nordrhein-westfälischen Innenminister."